Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Nach Ernst Fraenkel hat dieses System entscheidend dazu beigetra­ gen, das «Parlament policisch zu entmachten».261 Maurice Duverger geht so weit, von den Parlamentariern als «Abstimmungsmaschinen, gelenkt durch die Leiter der Partei», zu sprechen.262 Die Parlamen­ tarier und das Parlament laufen Gefahr, zwischen die Mühlsteine von Partei und Regierung oder der Führung des Schattenkabinetts zu geraten, wobei Partei- und Regierungsführer meist identisch sind. Dem bipolaren System von Regierung gegen Opposition als Ganzem wird bescheinigt, dass es die Demokratie verlebendigt. Die partei­ politisch geschlossene Regierung habe es — sofern nicht gesellschaft­ liche Kräfte wie Gewerkschaften dies verhindern oder andere wirt­ schaftliche Zwänge gegeben sind — leichter, ihre Politik zu planen und ihr Programm ohne Kompromisse durchzusetzen.203 Dem bipola­ ren System wird auch eine grössere Innovationsfähigkeit zugebilligt als dem Konkordanzsystem. Die Opposition sei gedrängt, für den Wähler klare Alternativen zu setzen. Gegen diese Vorzüge werden auch Einwände erhoben. Der Parteienwettbewerb sei oft nichts als unversöhnliche Gegnerschaft und führe zu Spaltungen in der staat­ lichen Gemeinschaft. Das notgedrungenermassen zentralistische System könne dort nicht befriedigen, wo auch Minderheiten zu be­ rücksichtigen seien. Längerfristig sei auch mit gegenseitig sich auf­ hebenden alternierenden Programmen nichts gewonnen, wenn je nach Regierungsmehrheit die Gesetze wieder geändert würden; besser sei eine Politik, die von allen Kräften getragen werde und einen geraden und stabilen Kurs steuere. Auch lasse sich die komplexe Wirklichkeit oft nicht auf zwei Alternativen verkürzen. Auswirkungen des bipolaren Typs auf das Parlament selbst: Es sei hier und in den folgenden Ausführungen dieses Kapitels lediglich, und zwar nur in sehr vereinfachter Weise, von den Auswirkungen auf die parlamentarischen Funktionen der Kontrolle, des Einflusses auf die Gesetzgebung und Regierungspolitik und der Repräsentation (ins­ besondere Unabhängigkeit) die Rede. 241 Fraenkel, 25f.; Lloyd George gar: «Parliament is a fiction». m Les partis politiques, 463. 883 Anders sind die Verhältnisse in den USA, wo Regierung und Kongress von­ einander unabhängig sind und wechselseitige korrektive bis blockierende Ge­ wichte (checks and balances) verkörpern. 133
	        

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