Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

kierten auf freiem Felde. Ein Teil des Stabes war zuvor nach Feldkirch vorausgeritten, um die Ein- quartierungen vorzubereiten. Suworow habe, be- richtet Menzinger weiter, schlechte Laune gehabt, und «sich sogleich ins nächste Fuhrmannsbett hin- eingeworfen, die Kammer verschlossen, und kei- nen Menschen für sich gelassen». Der ovale Tisch, an dem Suworow gegessen hatte, soll sich noch heute im Besitz der nachmaligen Wirtsfamilie Wol- finger befinden. Am Samstag, dem 12. Oktober reis- te Suworow nach Feldkirch weiter,22 begleitet von etwa 170 Offizieren und 420 Soldaten. Peter Aleksander Wassiljewitsch Suworow, seit 1789 Graf Rymnikskij, seit 1799 Fürst Italijskij, war am 25. November 1729 in Moskau geboren und starb am 18. Mai 1800 in St. Petersburg. Ein Muse- um im weissrussischen Kobrin erinnert an ihn. Er beteiligte sich von 1756 bis 1763 am Siebenjähri- gen Krieg, von 1787 bis 1792 an den Türkenkrie- gen, 1794 an der Niederschlagung des polnischen Aufstandes und an der Unterdrückung bäuerlicher Revolten in Russland. 1799 operierte er in Oberita- lien erfolgreich gegen die Franzosen, deshalb er- hielt er den Ehrentitel Fürst Italijskij. Der gebildete und religiöse General galt als leutselig, streng, ge- radeheraus, kühn und zäh, aber auch als Exzentri- ker, der seine Gäste im ordengeschmückten Mor- genrock empfangen und sich grundsätzlich gewei- gert habe, in Spiegel zu blicken. Er habe frühmor- gens gegessen, den ganzen Tag geschlafen und die Nächte hindurch gearbeitet. Sein Motto: «Vorwärts und schlage» spricht für sich. Der Durchmarsch der russischen Truppen erfolg- te seit dem 12. Oktober und nahm mehrere Tage in Anspruch. Der letzte Zug der Artillerie erreichte Feldkirch am 17. Oktober. Die Kosaken, berichtet der Chronist Johann Georg Heibert,23 waren «eine wunderliche Reiterei. Ihre Rüstung am Pferd ist nicht 3 Bazen wert; ein schlechter lederner Riemen zum Zügel und Zaum; kein Sattel, kleine Rössle». Die langbärtigen Russen trugen «eine lange blaue Mütze, weite plumpe Hosen, eine Pistole, einen Ka- rabiner, einen Spiess und eine lange Stange». Heibert erzählt ausserdem,24 dass die Russen ei- nen «unbeschreiblichen Hunger» aus der Schweiz 
mitgebracht hätten. «Sie fielen über alles her, assen unreife Trauben, Türken und Obst. Auf der Land- strasse ging es schrecklich her. Schuhe und Kleider nahmen sie den Leuten vom Leibe ab». Nach dem Marsch der Russen durch Liechtenstein hielten sie sich etwa zwei Wochen in Vorarlberg auf. Obwohl Ausschreitungen bei Strafe des Spiessrutenlaufens verboten waren, kam es zu Übergriffen in Alten- stadt, Gisingen, Frastanz und Dornbirn.25 Der zweiwöchige Aufenthalt der Russen in Vorarlberg brachte dem Land Unkosten in Höhe von etwa 100 000 Gulden.26 BELASTUNGEN DER BEVÖLKERUNG Laut Landvogt Franz Xaver Menzinger hatten die Leute in Balzers während des Durchmarsches der Russen nicht viel gelitten,27 aber der Nachtrab «war sehr lästig, es war in einzelnen Häusern und auf der Strass niemand mehr sicher, und keiner mehr wollte ein Militärfuhrwerk verrichten». Die Leute seien von Hungersnot bedroht und wüssten nicht, «was der Krieg uns noch für Unheil zuzie- hen» werde. Der Landvogt fuhr nach Feldkirch,28 um «wegen den Excessen» der Russen und Öster- reicher Remedur zu schaffen. Das Land sollte zu- sätzlich auch die Römermonate (Steuer für Reichs- truppen) zahlen und Soldaten stellen. Das letztere schien das kleinere Problem zu sein, weil die Män- ner «zuhause nichts als Elend vor Augen» hatten und der Solddienst als Ausweg erscheinen mochte. Am 11. Oktober 1799, dem Tag, als Suworow in Balzers eintraf, forderte die Koalitionsarmee vom Oberamt Vaduz die Lieferung von 700 Zentnern Heu für die Russen.29 Fünf Tage später schrieb der Landvogt,30 dass keine Lieferung in Portionen mög- lich gewesen sei. Er habe den Balznern befohlen, das «Quantum auf was für eine Art immer» bereit- zustellen.31 Die Gemeinde habe «ungleich mehr als 700 Zentner verabfolgt», aber keine Quittungen be- kommen. Die Forderung nach Heu sei erst erfolgt, als die Russen schon im Dorf lagerten, und «die Untertanen dortselbst mussten ihre Scheuern öff- nen, und das Heu verabfolgen, so viel man verlang- 336
	        

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