Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

VERSCHÄRFUNG DER ARGABEN Kommen wir aber zu den verbürgten Fakten zu- rück. Seit dem Entstehen einer Vaduzer Linie im Haus Hohenems hörten die Klagen und Beschwer- deschriften der Untertanen nicht mehr auf. Die Klagen betrafen immer wieder die gleichen Punkte: Der Graf halte den Steuervertrag von 1614 nicht ein und entrichte die Kreis- und Reichslasten nicht. Er lasse neue, kostspielige Bauten erstellen, die der Landschaft ganz unnütz seien, und zwinge die Leu- te dabei zu Fronarbeiten. Er nutze widerrechtlich Alpen, Wälder und Gemeinheiten, die sich im Be- sitz der Gemeinden befänden. Weiter achte er die Landammannverfassung nicht und bestelle die Landammänner und Gerichte nach Belieben. Den Bauern entziehe er widerrechtlich Lehen, um den Ertrag zu steigern. Bei den Bussen, die nach altem Brauch und Herkommen festgelegt seien, kenne er kein Mass und Ziel; bei Strafen nehme er, was ihm beliebe. Ebenso erhöhe er die Taxen.55 Der Konflikt eskalierte, als die Unrechtmässig- keit der Hexenprozesse durch eine kaiserliche Kom- mission festgestellt worden war - also zu einer Zeit, als die Position des Grafen ohnehin geschwächt war und die Untertanen auf Gehör an höherer Stel- le hoffen konnten. In einer Beschwerdeschrift, die Anfang 1684 von den beiden Landammännern Kai- ser Leopold I. übergeben wurde, wurde offen mit Gewalt gedroht: Der Graf überziehe in Begleitung seiner Trabanten - damit waren die Beamten ge- meint - die Gemeinden mit Schmähungen und Prü- geln, «also dass die Landschaft Gewalt mit Gewalt abtreiben müsse, denn besser sei es, in Ehren zu sterben, als solche Übergewalt und Tyrannei zu dulden.»56 EINSEITIGE AUFHEBUNG DES STEUERVERTRAGS VON 1614 Auf Grund der Klagen der Landschaft und der gräf- lichen Verwandten setzte der Kaiser den Grafen 1684 von der Regierung ab und stellte Vaduz und Schellenberg unter kaiserliche Zwangsadministra-tion. 
Doch die Untertanen, die sich davon Erleich- terungen erhofft hatten, sahen sich in ihren Erwar- tungen bald getäuscht. Die Abgaben und Leistun- gen wurden mit unerbittlicher Strenge eingezogen. Die Gehälter der Beamten in Vaduz wurden von 800 auf 1 200 Gulden erhöht. Zu den bisherigen Kosten kamen nun auch noch die Kosten der kai- serlichen Kommission. Das Volk, so schreibt Peter Kaiser, wurde immer schwieriger. Bald fanden ge- heime Zusammenkünfte statt, an denen über Mittel und Wege beraten wurde, wie man aus dem be- drückenden Zustand herauskommen könne.57 Der Vergleich im Jahre 1688 betreffend die Steu- ern wurde bereits erwähnt. An dieser Stelle muss nun noch auf die Aufhebung dieses Steuervertrags eingegangen werden. Aus der Sicht der kaiserli- chen Kommission war dieser Steuervertrag die Hauptursache für die Verschuldung der Hohenem- ser, da sich die Kreis- und Reichsauslagen infolge der diversen Kriege im 17. Jahrhundert verviel- facht hatten, der Betrag von 1 276 Gulden aber nie angepasst worden war. Es erstaunt daher nicht, dass dieser Steuervertrag, der für die Obrigkeit nachteilig war, im Jahre 1695 - also noch vor dem Verkauf der Herrschaft Schellenberg - vom Kaiser aufgehoben wurde.58 Aufgrund dieses kaiserlichen Erlasses mussten die Landschaften am 29. Dezember 1696 in folgen- des Übereinkommen einwilligen: Sie mussten die Kreis- und Reichslasten übernehmen, dafür wurde der Schnitz aufgehoben. Graf Jakob Hannibal muss- te sich verpflichten, mit geringen Ausnahmen alle Schulden zu tilgen. Die Zustimmung zu diesem Übereinkommen fiel den Landschaften schwer: Ei- nerseits wurden darin die Belastungen zu ihren Ungunsten verändert, andererseits verstiess das Übereinkommen auch gegen altes Recht und Her- kommen, und schliesslich zeigte ihnen die Art, wie die Abänderung des alten Vertrags durchgesetzt wurde, ihre Rechtlosigkeit. Die Untertanen hatten auf die weiteren Vor- gänge bis zum Verkauf am 18. Januar 1699 keinen Einfluss. Über sie ging man hinweg, über sie wurde wie über eine Sache verfügt. Bezeichnenderweise brachten sie bei den Huldigungen in den Jahren 28
	        

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