Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

DER 18. JANUAR 1699 - WENDEPUNKT UNSERER GESCHICHTE? / PAUL VOGT Das Interesse des Hauses Liechtenstein an den Reichs- herrschaften Das fürstliche Haus zählt zu den ältesten Adelsfa- milien Österreichs. Die Herren von Liechtenstein waren im 16. Jahrhundert in Niederösterreich und Mähren begütert und bekannten sich zum evange- lischen Glauben. Unter dem Einfluss der Gegenre- formation trat Karl von Liechtenstein 1599 zum ka- tholischen Glauben über, wenige Jahre später kon- vertierten auch seine Brüder Maximilian und Gun- daker. Schon bald darauf übten alle drei höchste politische und militärische Funktionen im Reich beziehungsweise am kaiserlichen Hof aus. 1608 wurde Fürst Karl zum Dank für seine Treue in den erblichen Fürstenstand erhoben, 1614 erhielt er das Herzogtum Troppau als Lehen. Der Dreissig- jährige Krieg bot den Fürsten von Liechtenstein Möglichkeiten, die sie nutzten: Nach der Schlacht am Weissen Berg hatte Fürst Karl von Liechten- stein die Festnahme und die Hinrichtung der adeli- gen Anführer des böhmischen Aufstandes zu leiten. 1622 wurde er Statthalter und Vizekönig von Böh- men - ein Amt, das er bis zu seinem Tod im Jahre 1627 behielt. Diese Position ermöglichte ihm, um- fangreichen Güterbesitz vom Kaiser zu erwerben, den dieser von den böhmischen Rebellen konfis- ziert hatte. Fürst Karl und seine Brüder verstanden es mit viel Geschick, die Gunst der Stunde zu nut- zen und stiegen zu höchsten Ehren und Ämtern auf. Sie sicherten die wirtschaftliche Grundlage des Hauses Liechtenstein dadurch, dass sie 1606 einen Familienvertrag schlössen, in dem die wichtigsten Güter zum Familienvermögen erklärt wurden und die Regierungsnachfolge im Sinne der Primogeni- turerbfolge geregelt wurde. STANDESERHÖHUNG UND ZULASSUNG ZUM REICHSFÜRSTENRAT Die Erhebung in den Fürstenstand im Jahre 1608 war Ausdruck eines Wettlaufs um Rang und Wür- den, der sich im 17. Jahrhundert zunehmend ver- stärkte. Peter Kaiser hat diesen Wettlauf bissig kommentiert. Auf die Frage, was das deutsche Reich angesichts der an der Grenze stehenden feindlichen Franzosen getan habe, schrieb er: «Um 
Rang und Namen stritten die Fürsten auf den Reichstagen und die Zeit des Handelns ging da- hin.»41 Bei diesem Wettlauf ging es nicht nur um Rang und Namen der Familie, sondern auch um den Zugang zu den wichtigsten Ämtern am kaiser- lichen Hof. Standeserhöhungen konnten in der Regel nur durch den Kaiser erfolgen. Vorteilhaft dafür war die Nähe zum Kaiserhaus und Einfluss am kaiserli- chen Hof. Die Brüder Maximilian und Gundaker von Liechtenstein wurden 1623 in den Rang von Reichsfürsten erhoben. Durch solche Standeser- höhungen suchte der Kaiser die Zusammensetzung des Reichstags zu seinen Gunsten zu verschieben. Dieser Politik wollte der Reichstag jedoch nicht ein- fach zusehen. 1653 beschloss er deshalb, dass eine unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme in den Reichstag der Besitz eines reichsunmittelba- ren, rangstiftenden Territoriums sei. Der Kaiser konnte damit weiterhin zwar seine Favoriten in den Reichsfürstenstand erheben, doch vollendet werden konnte dieser Aufstieg in den Reichs- fürstenrat nur mit dem Erwerb einer Reichsherr- schaft. Die Folge war, dass auch das Haus Liech- tenstein in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach einem solchen reichsunmittelbaren Territori- um suchte. Unter diesen Umständen mutet es zunächst et- was merkwürdig an, dass Fürst Karl Eusebius, der Sohn von Karl von Liechtenstein, die Nähe zum kaiserlichen Hof nicht suchte und ihm angebotene politische und militärische Aufgaben nicht über- nahm. Eine Erklärung dafür mag sein, wie dies Volker Press vermutet, dass er auf Grund der Er- werbungen seines Vaters und der diesem angelas- teten Münzverschlechterung noch in diverse Pro- zesse verstrickt war.42 Tatsächlich widmete er sich 38) Ebenda. S. 122. 39! Burmeistcr, S. 122. 40) Tschaikner, S. 94 ff. 41) Kaiser, S. 416. 42) Press (1987), S. .50 f. 19
	        

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