Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

«BEMERKUNGEN ÜBER DEN SOGENANNTEN MILZ- BRAND ...» / RUDOLF RHEINBERGER sehen Unterricht am Krankenbett» erteilte, nahm die Gelegenheit wahr, seinen Studenten diese Krank- heit an Mensch und Tier zu demonstrieren. Als dann Schädler im Jahre 1801 eine eigene ärztliche Praxis eröffnet hatte, vergingen kaum zwei Jahre, bis der Milzbrand 1803 im Liechtensteiner Unter- land ausbrach und sich epidemieartig ausbreitete. Jetzt konnte er die Erfahrungen, die ihm Professor Schmiederer in Freiburg vermittelt hatte, praktisch verwerten. Gebhard Schädler hat in seinem Referat vor der Graubündner Ärztegesellschaft einige grundlegen- de Erkenntnisse formuliert, deren Richtigkeit bei seinen Zeitgenossen noch heftig umstritten war: 1. Er erkannte, dass die Feuchtigkeit und die gros- se Hitze jenes Sommers eine ursächliche Bedeu- tung für die Entstehung der Seuche hatten. 2. Er stellte klar heraus, dass der Milzbrand vom Tier «durch Infektion auch auf den Menschen über- tragbar ist», eine Erkenntnis, die damals von vielen Ärzten noch nicht akzeptiert war. 3. Er stellte die Tatsache fest, dass der Milzbrand- karbunkel des Menschen dieselbe Ursache wie die Milzbrandseuche beim Tier hatte. Auch diese Tat- sache wurde in jener Zeit von vielen Fachleuten be- stritten . 4. Seine Schilderung des Krankheitsverlaufes beim Tier und sein Obduktionsbefund bei einem Pferd sind wissenschaftlich klar und eindeutig. Es ist bedauerlich, dass uns nur etwa ein Drittel des Referates Schädlers über den Milzbrand beim Tier erhalten geblieben ist, denn auch der restliche, verschollene Teil hätte bestimmt weitere wichtige Aufschlüsse vermittelt. Ebenso verhält es sich mit dem im Jahre 1823 gehaltenen, zur Gänze verschollenen Referat «über den Carbunkel», wobei es sich mit Sicherheit um den Milzbrandkarbunkel beim Menschen handelte und damit eine Fortsetzung des Referates vom Vor- jahre darstellte. 
HELBERT: DIE MILZBRAND-SEUCHE ALS «STRAFE GOTTES» Es sei hier eine zeitgenössische Schilderung jener Seuche vom Jahre 1803 angefügt, wie sie uns Jo- hann Georg Heibert in seiner Chronik gibt: «Es herrscht jetzt auch ein pestilenzische Krankheit an Ross und Vieh und zwar weit und breit im Land, in der Schweiz dem Rhein nach sehr stark, auch in Schwaben und Vorarlberg und in unserem ganzen Land. Anfangs war kein Hilfsmittel vorhanden. Die Rosse schwellen an Brust und Hals und krepieren bald. Man nimmt die Zuflucht zum Gebet. Die Ben- derer Pfarrei geht mit Prozession auf Appenzell zum hl. Antonius; die Pfarrei Eschen geht alle Frei- tag auf Nendeln. Dann wurde alles Vieh benedi- ciert. Endlich nach allem diesem wurde ein Hilfs- mittel erfunden und vieles Vieh gerettet. Die Leut- und Viehdökter haben sich schon anfänglich auf Verordnung der Obrigkeit versammelt und Rat ge- halten. Sie haben sehr verschiedene Meinungen über Ursache und Kur dieser Krankheit. Etliche sind der Meinung, die Hitze und Dürre des Som- mers sei die Ursache, andere sagen, eine vergiftete Luft. Von Sargans wird attestiert, es sei ein Biss ei- ner vergifteten Fliege. Und ich meine, es ist die Strafe Gottes gewesen, denn diese Krankheit ist ge- kommen, niemand weiss die Ursache; sie ist wie- der gegangen, niemand weiss wie, und doch sind viele hundert Stück Ross und Vieh krepiert. Alle unsauberen Orte wurden gesperrt. Hier im Eschner Britschen20 wurde ein Schirm für die kranken Ross gebaut. Endlich sieht man erst, dass die Krankheit nicht erblich21 ist. Es ist diese Krankheit zweierlei, einige waren geschwollen an der Brust und beka- men grosse Milze; dies wird das Milzweh genannt und ist schwer zu kurieren; andere bekamen Bü- 19) Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1991, Nr. 22. 20) Wiese in Eschen, südlich des Dorfzentrunis gelegen, auch «Bretscha» genannt. - Vgl. Banzer, Toni; Hilbe, Herbert; Stricker, Hans: Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein (FLNB). Vaduz, 1999, Band 3, S. 118. 21) «erblich» bedeutet im Dialekt «ansteckend». 213
	        

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