Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2000) (99)

1799 - FRANZOSENZEIT - SCHRECKENSZEIT ARTHUR BRUNHART reich, die St. Luzisteig fiel, Chur und das Engadin wurden von den Österreichern zurückerobert. Die Franzosen zogen sich aus der Ostschweiz nach Westen zurück, verfolgt von den Österreichern. Die- se waren in der Schweiz, wie Landvogt Franz Xa- ver Menzinger berichtete,83 verhasst, weil sie sich «durch ihr undiszipliniertes Betragen, wodurch sie ganze Gegenden ruinierten und verelendeten, alles zu Feinden gemacht haben. Von diesem Umstand wissen die Franzosen trefflich zu profitieren. Sie halten nun, wo sie hinkommen, die beste Manns- zucht, beleidigen niemand mehr und versichern den Leuten, sie seien nur da, sie vom tyrannischen Joch der Kaiserlichen zu befreien.» Mit dem Abrücken der Franzosen und dem Vor- dringen der Koalitionstruppen kamen auf Liechten- stein neue Forderungen zu. Zahlreiche Fuhren nach Sargans, Walenstadt und Chur waren zu leis- ten, rund 3 500 Zentner Heu zu liefern, 150 ungari- sche Ochsen, welche die Maul- und Klauenseuche einschleppten, zu weiden und schliesslich 7 000 Gulden für den Festungsbau zu zahlen. Täglich mussten 45 Wagen mit Fourage über die St. Luzi- steig fahren. Alles verteuerte sich: Heu, Türken, Korn, Wein, Gross- und Kleinvieh. Es war ein miss- liches Jahr gewesen, Reben und der Wein erfro- ren.84 DAS SCHEITERN DER OFFENSIVE IN DER SCHWEIZ Die aus der Ost- und Nordschweiz vorgetragene Of- fensive der Koalitionstruppen scheiterte im Sep- tember 1799 mit der verlorenen Schlacht bei Zürich, die Truppen fluteten über den Rhein zu- rück. Die russischen Koalitionstruppen unter Gene- ral Suworow, welche die Russen und Österreicher bei Zürich hätten verstärken sollen, blieben in der Innerschweiz stecken und mussten sich im legen- dären Alpenfeldzug über vier Pässe durch das Glar- nerland und über den Panixer Pass nach Graubün- den retten und sich von dort das Rheintal hinab nach Lindau zurückziehen.85 Am 11. Oktober 1799 lagerten die von rund 20 000 Mann noch verbliebe-nen 
rund 15 000 Soldaten und 1 300 Kriegsgefan- gene für eine Nacht in Balzers. Die russischen Ko- saken sind, berichtete Helbert,86 «eine wunderliche Reiterei. Ihre Rüstung am Pferd ist nicht 3 Bazen wert; ein schlechter lederner Riemen zum Zügel und Zaum; kein Sattel, kleine Rössle. Die Mannen tragen eine lange blaue Mütze, weite plumpe Ho- sen, eine Pistole, einen Karabiner, einen Spiess und eine lange Stange». Einen unbeschreiblichen Hun- ger hätten die Soldaten mitgebracht. In Liechten- stein «wurde nichts zeitig». Das Militär nahm den unreifen Türken, die Trauben, Kartoffeln, Obst, auch Schuhe und Kleider vom Leib. Wie Landvogt Franz Xaver Menzinger nach Wien berichtete, hat- te Suworow in der «Post» Quartier genommen. Menzinger war der Meinung, dass die Einwohner- schaft «durch den Durchzug selbst ... nicht viel ge- litten» hätten. Das Oberamt wurde angewiesen, 700 Zentner Heu für die Russen zu beschaffen.87 In Balzers wurde von den Truppen das vorhandene Heu kurzerhand aus den Scheunen und Tennen geräumt. 80) Ebenda, S. 21 ff. 81) Ebenda, S. 24. 82) Vgl. dazu Kirisits: Montafon. 83) Bericht des Landvogtes Menzinger vom 15. Oktober 1799 über das Verhalten der kaiserlichen Truppen, zit. bei Vogt: Brücken zur Vergangenheit, S. 102. Teilweise auch in Büchel: Balzers, S. 131. 84) Büchel: Balzers, S. 125 ff. 85) Dazu nun Brunhart: Suworow, in diesem Band, S. 329-340; Grimm: Suworow; Büchel: Balzers, S. 130 ff. 86) Büchel: Helbert, S. 110. 87) Grimm: Suworow, S. 205; Büchel: Balzers. S. 132 ff.; Brunhart: Suworow, S. 336 f. 197
	        

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