DAS GEDÄCHTNISPROTOKOLL
VOM 14. OKTOBER 1940 ALS POLITISCHES
VERHANDLUNGSDOKUMENT:
RÜCKSICHTEN AUF DAS DEUTSCHE REICH
UND DIE VDBL
Die Besprechung zwischen Alois Vogt und Peter
Anton Feldscher vom 14. Oktober 1940 betraf un-
mittelbar «eine bessere fremdenpolizeiliche Be-
handlung der Liechtensteiner in der Schweiz und
vor allem die Zusicherung freier Arbeitsannah-
me.»%2%2 Bei den Verhandlungen zur Öffnung des
schweizerischen Arbeitsmarktes waren KRegie-
rungschef Hoop und sein Stellvertreter Alois Vogt
federführend.“ Die Besprechung mit Feldscher
war auf Vogts Ersuchen hin erfolgt. Eine verstärkte
Integration Liechtensteins in den schweizerischen
Wirtschaftsraum hatte politisches Gewicht. Die
Koalitionsregierung von 1938 war auch unter
dem Vorzeichen einer Beibehaltung der schwei-
zerischen Zollunion angetreten. Im Herbst 1940
sahen beide Seiten in einer wirtschaftlichen Annä-
herung den Hebel, deutschorientierten Anschluss-
forderungen in Liechtenstein die Grundlage zu ent-
ziehen. Feldscher argumentierte, indem er diesen
Zusammenhang umkehrte. Er konfrontierte Vogt
wiederholt mit Zweifeln an der liechtensteinischen
Vertragsloyalität, Feldscher führte jüngste natio-
nalsozialistische Umtriebe und «Anschlusspropa-
ganda» in Liechtenstein an.“°* In der Schweiz wäre,
so der EPD-Vertreter, einiges Misstrauen zu besei-
tigen. Als politische Vorleistung für einen Vertrags-
abschluss insistierte Feldscher gegenüber Vogt auf
einer «baldigen und klaren Loyalitätserklärung»
von Regierung und Bevölkerung Liechtensteins.“®
Vogt taktierte, seinerseits auf schweizerisches Ent-
gegenkommen bedacht. Feldschers Besorgnissen
entgegnete er beschwichtigend, die liechtensteini-
sche Regierung sehe «keinerlei Anlass zu irgend:
welcher Nervosität».“% Indirekt nährte er gleich-
wohl Feldschers Bedenken: «Es wird» — so Vogt —
«wesentlich von der Haltung [der Schweiz, d. Verf.]
abhängen, wie sich die Dinge entwickeln».“°” In der
Verhandlungsführung setzte Alois Vogt am rich-
gen Punkt an. Dies wird aus einer Notiz Feld-
schers einen Monat nach dem Treffen mit Vogt“®®
und aus einem späteren Bundesratsprotokoll““*
deutlich. Alle Departementsvertreter, insbesondere
das Eidgenössische Militärdepartement (EMD),
empfahlen ein Eingehen auf die liechtensteinischen
Wünsche, um «alles zu vermeiden, was Liechten-
stein in die Arme Deutschlands treiben könnte.»“!9
In der Besprechung vom 14. Oktober argwöhnte
celdscher, dass «hinter der Deutsch-Völkischen Be-
wegung» in Liechtenstein «deutsche Propaganda»
stehe. Möglicherweise erfolge eine Stützung der
VDBL nicht durch die Behörden, sondern durch
mächtige Kreise im Reich.“!! Vogt beschwichtigte,
sprach vom korrekten Verhalten der deutschen
Behörden. Auch auf die von Feldscher angespro-
;henen Kreise in Deutschland werde er «sein per-
sönliches Augenmerk» lenken.*!*
Im Besprechungsprotokoll beliessen es Vogt und
Feldscher in der Frage einer reichsdeutschen
Rückendeckung der VDBL bei Andeutungen. An
dere Quellen der Jahre 1940 und 1941 weisen dar-
auf hin, dass Liechtensteins Regierung, namentlich
Alois Vogt, sehr wohl «Anlass zur Nervosität»
‘hatten.
Zur Zeit der deutschen Eroberungen setzte die
Regierung Hoop deutliche Anpassungssignale.**
Feldscher meinte später, Regierungschef Hoop und
sein Stellvertreter Vogt hätten in den Jahren 1940
und 1941 «wohl mit dem deutschen Einmarsch in
das Fürstentum und die Schweiz gerechnet und
versucht, sich mit den deutschen Behörden mög-
lichst gut zu stellen.»?'* Hoop bezog in die aussen-
politische Rücksichtnahme auch allfällige Mass-
nahmen gegen die VDBL ein. Am 10. Oktober 1940
gab er im Landtag zu bedenken: «... wenn in Liech-
‚enstein eine Bewegung unterdrückt würde, die ein
enges Verhältnis zu Deutschland herbeizuführen
Deabsichtigt, so könnte das katastrophale Folgen
1aben.»“!>
Alois Vogt war von der VDBL persönlich heraus-
gefordert, dieser Hintergrund der Besprechung
vom 14. Oktober 1940 erhellt aus zeitgenössischen
VDBL-Dokumenten.“!°
Nach ihrem Rückschlag infolge des gescheiter-
ten Märzputsches 1939 wurde die VDBL im Juni