Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

DAS GEDÄCHTNISPROTOKOLL 
VOM 14. OKTOBER 1940 ALS POLITISCHES 
VERHANDLUNGSDOKUMENT: 
RÜCKSICHTEN AUF DAS DEUTSCHE REICH 
UND DIE VDBL 
Die Besprechung zwischen Alois Vogt und Peter 
Anton Feldscher vom 14. Oktober 1940 betraf un- 
mittelbar «eine bessere fremdenpolizeiliche Be- 
handlung der Liechtensteiner in der Schweiz und 
vor allem die Zusicherung freier Arbeitsannah- 
me.»%2%2 Bei den Verhandlungen zur Öffnung des 
schweizerischen Arbeitsmarktes waren KRegie- 
rungschef Hoop und sein Stellvertreter Alois Vogt 
federführend.“ Die Besprechung mit Feldscher 
war auf Vogts Ersuchen hin erfolgt. Eine verstärkte 
Integration Liechtensteins in den schweizerischen 
Wirtschaftsraum hatte politisches Gewicht. Die 
Koalitionsregierung von 1938 war auch unter 
dem Vorzeichen einer Beibehaltung der schwei- 
zerischen Zollunion angetreten. Im Herbst 1940 
sahen beide Seiten in einer wirtschaftlichen Annä- 
herung den Hebel, deutschorientierten Anschluss- 
forderungen in Liechtenstein die Grundlage zu ent- 
ziehen. Feldscher argumentierte, indem er diesen 
Zusammenhang umkehrte. Er konfrontierte Vogt 
wiederholt mit Zweifeln an der liechtensteinischen 
Vertragsloyalität, Feldscher führte jüngste natio- 
nalsozialistische Umtriebe und «Anschlusspropa- 
ganda» in Liechtenstein an.“°* In der Schweiz wäre, 
so der EPD-Vertreter, einiges Misstrauen zu besei- 
tigen. Als politische Vorleistung für einen Vertrags- 
abschluss insistierte Feldscher gegenüber Vogt auf 
einer «baldigen und klaren Loyalitätserklärung» 
von Regierung und Bevölkerung Liechtensteins.“® 
Vogt taktierte, seinerseits auf schweizerisches Ent- 
gegenkommen bedacht. Feldschers Besorgnissen 
entgegnete er beschwichtigend, die liechtensteini- 
sche Regierung sehe «keinerlei Anlass zu irgend: 
welcher Nervosität».“% Indirekt nährte er gleich- 
wohl Feldschers Bedenken: «Es wird» — so Vogt — 
«wesentlich von der Haltung [der Schweiz, d. Verf.] 
abhängen, wie sich die Dinge entwickeln».“°” In der 
Verhandlungsführung setzte Alois Vogt am rich- 
gen Punkt an. Dies wird aus einer Notiz Feld- 
schers einen Monat nach dem Treffen mit Vogt“®® 
und aus einem späteren Bundesratsprotokoll““* 
deutlich. Alle Departementsvertreter, insbesondere 
das Eidgenössische Militärdepartement (EMD), 
empfahlen ein Eingehen auf die liechtensteinischen 
Wünsche, um «alles zu vermeiden, was Liechten- 
stein in die Arme Deutschlands treiben könnte.»“!9 
In der Besprechung vom 14. Oktober argwöhnte 
celdscher, dass «hinter der Deutsch-Völkischen Be- 
wegung» in Liechtenstein «deutsche Propaganda» 
stehe. Möglicherweise erfolge eine Stützung der 
VDBL nicht durch die Behörden, sondern durch 
mächtige Kreise im Reich.“!! Vogt beschwichtigte, 
sprach vom korrekten Verhalten der deutschen 
Behörden. Auch auf die von Feldscher angespro- 
;henen Kreise in Deutschland werde er «sein per- 
sönliches Augenmerk» lenken.*!* 
Im Besprechungsprotokoll beliessen es Vogt und 
Feldscher in der Frage einer reichsdeutschen 
Rückendeckung der VDBL bei Andeutungen. An 
dere Quellen der Jahre 1940 und 1941 weisen dar- 
auf hin, dass Liechtensteins Regierung, namentlich 
Alois Vogt, sehr wohl «Anlass zur Nervosität» 
‘hatten. 
Zur Zeit der deutschen Eroberungen setzte die 
Regierung Hoop deutliche Anpassungssignale.** 
Feldscher meinte später, Regierungschef Hoop und 
sein Stellvertreter Vogt hätten in den Jahren 1940 
und 1941 «wohl mit dem deutschen Einmarsch in 
das Fürstentum und die Schweiz gerechnet und 
versucht, sich mit den deutschen Behörden mög- 
lichst gut zu stellen.»?'* Hoop bezog in die aussen- 
politische Rücksichtnahme auch allfällige Mass- 
nahmen gegen die VDBL ein. Am 10. Oktober 1940 
gab er im Landtag zu bedenken: «... wenn in Liech- 
‚enstein eine Bewegung unterdrückt würde, die ein 
enges Verhältnis zu Deutschland herbeizuführen 
Deabsichtigt, so könnte das katastrophale Folgen 
1aben.»“!> 
Alois Vogt war von der VDBL persönlich heraus- 
gefordert, dieser Hintergrund der Besprechung 
vom 14. Oktober 1940 erhellt aus zeitgenössischen 
VDBL-Dokumenten.“!° 
Nach ihrem Rückschlag infolge des gescheiter- 
ten Märzputsches 1939 wurde die VDBL im Juni
	        

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