Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

Umgekehrt pflegten die SD-Meldungen eine opti- 
mistische, durch VOMI-Berichte 1938 und 1939 
eingeführte Auffassung der liechtensteinischen In- 
nenpolitik. Der Vizeregierungschef galt demnach 
als «Vertrauensmann», «Aussenposten»'!®° und ver- 
deckter Anschlusspolitiker, die VU als Haus der 
Umsturzbetreiber. Vogts Regierungsloyalität wäre 
ın dieser Sicht nur vorgetäuscht gewesen. !*‘ 
Lassen sich die je einseitigen Perspektiven der 
Beteiligten verbinden? 
Alois Vogt kommt in den Besprechungsange- 
doten nur vermittelt zu Wort, auch die deutschen 
Interessen bleiben an wichtiger Stelle im Dunkeln. 
Zu einer Verständigung des zuständigen SD-Offi- 
ziers Bunsen im RSHA vermerkt der Korrespon- 
dent im Auswärtigen Amt, Picot: «Wir hätten an 
ainem Putsch [in Liechtenstein, d. Verf.] nicht das 
geringste Interesse. Über die politischen Hinter- 
gründe habe ich Herrn Bunsen nicht orientiert.» '®5 
DAS GEDÄCHTNISPROTOKOLL 
VOM 14. OKTOBER 1940 ALS NACHRICHTEN- 
VORGANG 
Zu Motiven und Absichten von Vogts Kontakt- 
versuchen geben die Quellen keine direkten Auf- 
schlüsse, allerdings können einige Begleitumstände 
und Hintergründe präzisiert werden. Als Schlüssel- 
text hierzu erweist sich das vom SD behändigte 
«Gedächtnisprotokoll» einer Besprechung Vogts im 
PD in Bern vom 14. Oktober 1940.!®9 
Alois Vogt besprach sich in Bern mit Legations- 
rat Dr. Peter Anton Feldscher zu einer von Liech- 
‚enstein gewünschten Gleichbehandlung liechten- 
steinischer Arbeitsuchender in der Schweiz. Wenig 
später, am 24. Oktober, verfügte der SD über eine 
«zusammengefasste Darstellung der über eine 
Stunde dauernden Besprechung».!®”” Laut Heinz 
Jost, dem zuständigen SD-Führer, habe ein Verbin- 
dungsmann das Protokoll beschaffen können. Ohne 
auf dessen Inhalt näher einzugehen, wertet Jost 
den Nachrichtenvorgang als Gelegenheit, Vogt 
deutscherseits zu instruieren. Über die näheren 
Umstände der Protokollverfassung und -beschaf- 
fung schweigen sich die Quellen aus, der von Jost 
erwähnte «VM» des SD bleibt anonym. Was spricht 
dafür, dass die Protokollzuspielung im Interesse 
und mit Wissen Alois Vogts erfolgte?!” 
Die Protokollbeschaffung für Jost fügt sich in die 
Reihe der deutscherseits registrierten Kontakt- 
versuche Alois Vogts ein. In dem im September von 
Heydrich an Ribbentrop gemeldeten Herantreten 
Vogts an eine SD-Dienststelle firmiert die Nachrich- 
tengruppe Westeuropa des SD als meldungs- 
zuständig.!?*? Die Vorsprache Peter Rheinbergers 
und Josts Schreiben wurden ebenfalls in der West- 
2uropa-Gruppe behandelt. Auch im Protokolltext 
finden sich Entsprechungen zu den früheren und 
späteren SD-Berichten. Der EPD-Vertreter drängte 
gemäss Protokoll auf eine klare Loyalitätserklärung 
Liechtensteins gegenüber der Schweiz. Laut einer 
irüheren SD-Meldung habe Vogts Beauftragter 
Rheinberger von einem bevorstehenden schweize- 
rischen Ultimatum zu einem «wirtschaftlichen und 
politischen Anschluss» gesprochen.'?® Im Protokoll 
hegt Feldscher Zweifel an Liechtensteins aussen- 
„olitischer Zuverlässigkeit. Er führt Umsturzge- 
rüchte und Anschlussforderungen ins Treffen. Von 
Anschlussangeboten berichten auch die SD-Mel- 
dungen, Alois Vogt erscheint hier als deren inoffi- 
zieller Unterhändler; seiner Gesinnung nach ein 
VDBL-Mann. 
Welche Personen und welche Wahrnehmungen 
bestimmten Vogts Meldungslinie zum SD? 
Zu den SD-Führern in Berlin, dem damaligen 
Leiter der Westeuropa-Gruppe Bielstein und des- 
sen Chef Heinz Jost, dürfte Vogt keine persönliche 
Verbindung gehabt haben. Allerdings kannte er 
<laus Huegel. Zur Zeit der Kontaktvorstösse führte 
Huegel die schweizerisch-liechtensteinische Ge- 
heimdienstarbeit im SD Stuttgart und war Bielstein 
und Jost in Berlin unterstellt. Klaus Huegel teilte 
mit, dass er sich an den Nachrichtenvorgang im 
Oktober 1940 nicht erinnern könne, '”* er hätte sich 
damals in Stuttgart einarbeiten müssen. Diese An- 
gaben sind mit Vorsicht aufzunehmen. Seiner 
Beauftragung nach war Huegel für die Auskund- 
schaftung und Verbindungsaufnahme im Raum 
Schweiz/Liechtenstein eingesetzt. Mit Vertretern
	        

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