«DER EINZIGE MANN, DER DIE SACHE AUF SICH
NEHMEN KÖNNTE ...» / JÜRGEN SCHREMSER
dem man von deutscher Seite «Anweisungen» ge-
ben könne.!’° Gerade daran schien das Reichsaus-
senministerium nicht interessiert, es reagierte auf
die gemeldeten Vorstösse mit Zurückhaltung: Peter
Rheinberger solle beruhigt werden, «Jeder Putsch
könne sich sehr zu Ungunsten Liechtensteins aus-
wirken.»!’” Zu den Fragen der liechtensteinisch-
schweizerischen Beziehungen nehme man «Auf
Anweisung des H. RAM», also Ribbentrops, «vor-
läufig», das heisst im Oktober 1940, keine Stel-
lung!’ und auch im Mai 1941 solle «in der
Sache selbst» - Anschlussfrage und Verhältnis zur
Schweiz —- «kurz getreten werden.»!'”” Diese Posi-
tion solle Vogt beziehungsweise Rheinberger wie
derum vom SD vermittelt werden, an einer wei-
teren Nachrichtenverbindung mit Alois Vogt und
einer diesbezüglichen Unterrichtung seiner Abtei-
lungen war das Auswärtige Amt interessiert. '®®
ZWIESPÄLTIGER EINDRUCK DER KONTAKT-
DIPLOMATIE DER JAHRE 1940 UND 1941
Alois Vogt äusserte nach dem Krieg gegenüber
der schweizerischen Bupo, dass er seit Herbst
1940 über mehrere Monate versuchte, «heraus-
zubringen, wo die liechtensteinische Opposition,
die Volksdeutsche Bewegung, in Deutschland ihre
Stützpunkte habe», um der VDBL dort entgegen-
zutreten.!?! Als Adressaten seiner Vorstösse gab
Vogt unter anderem den SD in München an. Hier-
bei habe ihm Peter Rheinberger geholfen.!®? Über
Vermittlung eines Bekannten in Berlin sei schliess-
lich ein Treffen mit Erdmannsdorff im Auswärtigen
Amt zustande gekommen.!®
Vogts Angaben bestätigen den Zeitraum und
decken sich teilweise mit den Inhalten der deut-
schen Korrespondenz. Beide Quellen bieten den
noch ein lückenhaftes und zwiespältiges Bild der
damaligen Kontaktdiplomatie. Möglicherweise ging
es Vogt darum, die Haltung der «massgebenden»
Stelle zur VDBL, der liechtensteinischen Anschluss-
bewegung, einzuholen. Seine nächstliegenden Kon-
takte bestanden 1940 nicht zum Auswärtigen Amt,
sondern zur VOMI und zu Vertretern des SD Stutt-
gart.'** Auf Anfrage hatte bereits der SD-Mann Pe-
ter seinen Bekannten Alois Vogt zur Liechtenstein-
Einstellung der Reichsführung orientiert. Dies er-
"olgte im Vorfeld des VDBL-Putschversuchs vom
24. März 1939.'8 Allerdings erscheint Vogt in den
späteren deutschen Quellen exponierter, ja selbst,
der VDBL-Linie folgend, zu Eingliederungsver-
handlungen bereit. Sowohl die Erinnerung Vogts
als auch die deutsche Wahrnehmung bleiben selek-
tiv. Vogt erwähnte 1946 keine Besprechungsange-
bote zu Eingliederungs- oder «Schweizer Fragen».
165) LLA 0. S. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484850 —- 484874. Dass. AA,
PA Inland 11 g 409. Zur Bewertung in der Literatur siehe Krebs:
Zwischen Fürst und Führer, S. 559 1.
166) Dok. Nr. 484874 enthält eine Handnotiz «betreffend Liechten-
stein» vom 25. September 1941, ohne dass ein Zusammenhang mit
den vorhergehenden Vorgängen deutlich würde.
167) LLA 0. S. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484850, 12. September
1940: Heydrich (SD) an Ribbentrop (AA).
168) Ebenda.
‚69) LLA 0. S. Sammelakt NS. Dok. Nr. 484851, undat. Aktennotiz
m Amı VI FF (SD).
(70) LLA O. 5. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484855 - 484865. 24. Okto-
ber 1940: Jost (SD) an Luther (AA).
171) LLA 0. S. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484870 — 484874, Mai 1941.
172) Ebenda, Dok. Nr. 484852, undat. Handnotiz im AA, Abteilung
Deutschland.
173) Ebenda.
174) PAAV/523 Zeugenaussage Alois Vogt. 18. Januar 1946, S. 10
175) LLA 0. S. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484872 f., 14. Mai 1941:
Handnotiz Neuwirth (AA). Tatsächlich hatte Alois Vogt mit Mit-
arbeitern des SD Stuttgart schon 1939 Bekanntschaft gemacht
176) Ebenda Dok. Nr. 484855. 24. Oktober 1940.
'77) Ebenda Dok. Nr. 484853, 9. Oktober 1940.
178) Ebenda Dok. Nr. 484855, 27. Oktober 1940: Handnotiz Luther
(AA).
179) Ebenda Dok. Nr. 484870, 14. Mai 1941: Handnotiz Kieser (AA)
180) Ebenda Dok. Nr. 484866, 31. Oktober 1940: Picot (AA).
181) BAB Bupo-Vernehmung Alois Vogt 1946, 5. 12 £
182) Ebenda, S. 6 f
183) Ebenda, S. 13
184) Siehe S. 75.
185) Siehe S. 66