Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

«DER EINZIGE MANN, DER DIE SACHE AUF SICH 
NEHMEN KÖNNTE ...» / JÜRGEN SCHREMSER 
UMSTÄNDE DER VERBINDUNGSAUFNAHME: 
GEHEIMDIPLOMATIE UND NACHRICHTEN- 
DIENSTE 
Alois Vogt war im Laufe des Jahres 1938 von Re- 
gierungschef Hoop in Liechtensteins Aussenver- 
;retung einbezogen worden.'®® Als Regierungschef- 
Stellvertreter war Vogt auch beim offiziellen Berlin- 
Besuch am 2./3. März 1939 beteiligt, bei den 
Besprechungen mit Hitler, Göring und Ribbentrop 
waren nur Hoop und Fürst Franz Josef II. zuge- 
gen.!?! Der nationalsozialistische Putschversuch in 
Liechtenstein erfolgte nur drei Wochen nach Ber- 
lin. Er erwies, dass man sich bezüglich der bestim- 
menden deutschen Haltung auf persönliche Ein- 
drücke, Stimmungsbilder und zugetragene Hin- 
weise, im besten Falle von der Führungsebene, 
stützen musste. Der Berlin-Besuch vor Kriegsbe- 
ginn sollte der einzige offizielle Staatsakt in den 
deutsch-liechtensteinischen Beziehungen werden. 
Inoffizielle Linien wurden aufrechterhalten, für Be- 
schwichtigungen und Informationszugänge im Um- 
‚eld der Reichsspitzen. Regierungschef Hoop hatte 
Mittelsmänner in Gauverwaltungen, Propaganda- 
ministerium und im Auswärtigen Amt. Sein Kon- 
taktmann Konsul Sieger blieb bis nach Kriegsende 
in Liechtenstein. Vogt baute seine Verbindungen 
allmählich auf, im Amtsverkehr und im Rückgriff 
auf Bekanntschaften, die er während seines LHD- 
Engagements gemacht hatte. Ein wichtiger An- 
«nüpfungspunkt lag in Stuttgart. Das dortige deut- 
sche Auslandsinstitut war eine Anlaufstelle für 
volksdeutsche Aktivitäten im Ausland. Vogt hatte 
als LHD-Sekretär in Stuttgart Vertreter des VDA 
kennengelernt. Solche Bekanntschaften wurden 
durch den rechten VU-Flügel, Alois Vogt, VU-Präsi- 
dent Otto Schaedler und nachmalige VDBL-Mitglie- 
der weiterverfolgt. Den SD-Mann Klaus Huegel und 
lessen damaligen Vorgesetzten Dr. Ernst Peter 
lernte Vogt vor dem März 1939 als Bekannte von 
Otto Schaedler und Peter Rheinberger kennen. 
Auch der VOMI war Vogt zunächst durch Parteiprä- 
sident Schaedler und dessen deutschvölkische For- 
derungen im März 1938 empfohlen. In der Folge 
sollte Vogt die Verbindung zu Huegel selbständig 
ausbauen; mit dem VOMI-Gesandten Stier verhan- 
delte er anlässlich des Putschversuchs ebenfalls 
alleine, in Wahrnehmung deutscher und liechten- 
steinischer Interessen.!®? Vogt lernte Einzelperso- 
gen kennen, zu deren Stellung im verflochtenen 
Behörden- und Parteiapparat Hitlerdeutschlands 
gewann er nur partiellen Einblick. Huegel und 
Peter traten in kulturell-publizistischer Mission auf, 
als Geheimdienstoffiziere hielten sie sich sowohl in 
der Schweiz wie in Liechtenstein bedeckt.'® 
1939 nutzte Alois Vogt seine Verbindung zu 
Klaus Huegel für die Abklärung eines liechten- 
steinischen Industrievorhabens bei deutschen Fir- 
nen.!? Über Vermittlung Huegels und mit Hilfe 
»eter Rheinbergers konnte Vogt ab 1940 weitere 
Verbindungen zu liechtensteinbezogenen Dienst- 
stellen einleiten. Für 1940 und 1941 sind mehrere 
Kontaktvorstösse belegt. Vogt gab nach dem 
Kriegsende an, dass er über mehrere Monate 
‚ergeblich eine Erkundung der deutschen Haltung 
zur VDBL anstrebte.'® In den deutschen Quellen 
arscheinen die Vorstösse problematischer, wird 
als Besprechungsgegenstand die «Einverleibung 
.‚iechtensteins ins Grossdeutsche Reich» ange- 
führt. !?6 Über Vermittlung eines Bekannten sprach 
Alois Vogt schliesslich im Reichsaussenministerium 
bei Otto von Erdmannsdorff und dessen Mitar- 
beiter «Geheimrat Strak» vor. Erdmannsdorff be- 
stätigte den wohlwollenden Liechtenstein-Kurs und 
30) Siehe S. 60-63. 
131) PAAV/523 Zeugenaussage Alois Vogt, 18. Januar 1946, 5. 10. 
32) Siehe S. 66-67. 
‚33) Vgl. Anm. 118. 
134) PAAV/279, 6. Juni 1939: Schreiben Klaus Huegel an Torpedo 
Werke A.G. Es handelte sich um die industrielle Verwertung 
des Schreibmaschinenmodells «Orion» des deutschen Ingenieurs 
Otto Haas. Peter Rheinberger war ein Mitarbeiter von Haas, Alois 
Jogi vertrat seit den Dreissigerjahren die von Haas und Rheinberger 
gegründete «Orion Registred Manufactory». Die Idee einer Schreib- 
naschinenproduktion wurde von der liechtensteinischen Regierung 
ınterstützt. 1939 und 1940/41 klärte Alois Vogt diesbezüglich im 
Deutschen Reich ab. Siehe auch Geiger: Krisenzeit 1, 5. 276. 
'35) BAB Bupo-Vernehmung Alois Vogt 1946, 5. 13. 
136) LLA O0. S. Sammelakt NS, Dok. Nr. 484851. Dass. AA, PA Inland 
ı] FT 409. 
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