Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

«DER EINZIGE MANN, DER DIE SACHE AUF SICH 
NEHMEN KÖNNTE ...» / JÜRGEN SCHREMSER 
Vor 1938: 
Alois Vogts Engagement im 
Liechtensteiner Heimatdienst 
und in der Vaterländischen 
Union 
Vor Eintritt in die Regierung Hoop hatte sich Vogt 
fünf Jahre politisch exponiert. Er gehörte am 1. Ok- 
tober 1933 zu den Mitbegründern der oppositio- 
nellen Gruppierung Liechtensteiner Heimatdienst 
(LHD). Deren anfänglich reformerische Bekennt- 
nisse wurden bald durch völkische und autoritäre 
Positionen überlagert. Zahlreiche Gründungsmit- 
glieder trennten sich deshalb vom LHD. Alois Vogt 
blieb, neben Otto Schaedler und Carl von Vogel- 
sang, in der Landesleitung. Nach Zusammen- 
schluss des LHD mit der christlich-sozialen Volks- 
partei (VP) zur Vaterländischen Union (VU) auf den 
Jahreswechsel 1935/36 gehörte Vogt erneut als Se- 
kretär dem Parteivorstand an. Zusammen mit Otto 
Schaedler und Carl von Vogelsang zählte er zum 
einflussreichen «rechten» Flügel der erweiterten 
Opposition. Vogelsang war wie zuvor im LHD lei- 
tender Redaktor der Parteizeitung, des nunmeh- 
rigen «Liechtensteiner Vaterland». 
Politische Praxis und personelle Zusammenset- 
zung des LHD als rechtsgerichtete liechtensteini- 
sche Oppositionsbewegung sind andernorts aus- 
führlich dargestellt.'!! In Bezug auf Alois Vogt sollen 
zwei Eigentümlichkeiten des LHD kurz beleuchtet 
werden. Von Belang sind erstens die ideologische 
Annäherung an völkische, antiliberale und autori- 
täre Positionen in der europäischen Rechten der 
Dreissigerjahre, zum zweiten die organisatorische 
Verbindung mit Stellen und Personen im national- 
sozialistischen Deutschland. Für die politische Prä- 
gung Vogts und für seine spätere Zusammenarbeit 
mit Regierungschef Dr. Josef Hoop sind weitere 
Hintergründe benennbar: Vogts Studienzeit in 
Österreich und soziale Querverbindungen in der 
liechtensteinischen Kleingesellschaft. 
STÄNDESTAATSIDEE UND ANTISEMITISMUS 
Der LHD hatte kaum eigenes ideologisches Profil 
Er bediente sich ausländischer Modelle. In Rhe- 
torik und organisatorischer Selbstdarstellung wur- 
den Elemente des deutschen Nationalsozialismus 
und italienischen Faschismus, der österreichischen 
Ständestaatsidee und der schweizerischen Erneue- 
rung übernommen. Ausdrücklich lehnte man sich 
an die katholische Gesellschaftslehre an. Die kirch- 
liche Kritik an wirtschaftlicher und kultureller Mo- 
dernisierung traf sich mit dem Wunsch nach einer 
konservativ-autoritären Wende. Auch die antisemi- 
tischen Ausfälle des LHD konnten an eine katholi- 
sche Tradition anknüpfen und fanden über die 
Grenzen der Organisation Gehör. '* 
Ideologisch exponierte sich Alois Vogt von An- 
fang an. Er verfasste zahlreiche Leitartikel in der 
LHD-Zeitung und trat an den LHD-Versammlungen 
neben Otto Schaedler als Redner auf. Zentral in 
Vogts Texten ist die Propagierung eines liechten- 
steinischen Ständestaates zur Überwindung von 
Parteienstreit und Wirtschaftskrise. Vogt beschwor 
den Gemeinnutz und die «religiösen und kulturel- 
len Güter» Liechtensteins, die es gegen Atheismus 
6) Geiger: Krisenzeit 2, 5. 180. 
7) In den liechtensteinischen Landtagsakten 1946 finden sich die 
staatsanwaltlichen Grundlagen zu dieser Überlegung: LLA LTA 1946 
L 26. 
8) Dokumentiert im Bundesarchiv Bern (BAB): BAB E 2001 (E) 
1969/262 Bd. 40 sowie ebenda E 4320 (B) 1990/133 Bd. 52. 
9) Zu dieser Quellenproblematik ergab sich eine Kontroverse Zwi- 
schen den deutschen «Liechtenstein-Historikern» Horst Carl und 
Gerhard Krebs. Siehe Horst Carl: Vom Handlungsspielraum eines 
Kleinstaates - zu Gerhard Krebs: Zwischen Fürst und Führer. 
Liechtensteins Beziehungen zum «Dritten Reich». In: GWU 8 (1989). 
5. 486-493. 
Kurzbeleg: Carl: Vom Handlungsspielraum eines Kleinstaates. 
0) Formulierung von Alois Vogt in einem Schreiben an Dr. Alfred 
Zehnder (EPD) vom 8. Juli 1946. Siehe BAB E 4320 (B) 1990/133 
Bd. 52. 
11) Ich stütze mich auf folgende Arbeiten: Joseph Walk: Liechten- 
stein 1933-1945. Nationalsozialismus im Mikrokosmos. In: Das Un- 
rechtsregime. Hrsg. Ursula Büttner. Hamburg 1986, Bd. 1, 
S. 376-425. Kurzbeleg: Walk: Liechtenstein 1933-1945, 
Klaus Biedermann: Der Liechtensteiner Heimatdienst 1933-1935. 
Drei Jahre Kampf gegen den Parteienstaat für eine berufsständische 
Irdnung, Seminararbeit Univ. Bern, 1991. 
Geiger: Krisenzeit 1, S. 365-413. 
12) Antisemitismus artikulierte sich im Liechtenstein der Zwanziger- 
bis Vierzigerjahre in der Presse, bei den Pfadfindern, in Landtags- 
debatten und - bürokratisch kanalisiert - im Nachvollzug deutscher 
Vertreibungs- und schweizerischer Einwanderungspolitik gegenüber 
jüdischen Personen ab 1938. Siehe Walk: Liechtenstein 1933-1945, 
S. 379-384, sowie Geiger: Antisemitismus und Liechtenstein, öffent- 
licher Vortrag 26. Mai 1997. Derselbe: Krisenzeit 2, 5. 427-467 
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