«DER EINZIGE MANN, DER DIE SACHE AUF SICH
NEHMEN KÖNNTE ...» / JÜRGEN SCHREMSER
Vor 1938:
Alois Vogts Engagement im
Liechtensteiner Heimatdienst
und in der Vaterländischen
Union
Vor Eintritt in die Regierung Hoop hatte sich Vogt
fünf Jahre politisch exponiert. Er gehörte am 1. Ok-
tober 1933 zu den Mitbegründern der oppositio-
nellen Gruppierung Liechtensteiner Heimatdienst
(LHD). Deren anfänglich reformerische Bekennt-
nisse wurden bald durch völkische und autoritäre
Positionen überlagert. Zahlreiche Gründungsmit-
glieder trennten sich deshalb vom LHD. Alois Vogt
blieb, neben Otto Schaedler und Carl von Vogel-
sang, in der Landesleitung. Nach Zusammen-
schluss des LHD mit der christlich-sozialen Volks-
partei (VP) zur Vaterländischen Union (VU) auf den
Jahreswechsel 1935/36 gehörte Vogt erneut als Se-
kretär dem Parteivorstand an. Zusammen mit Otto
Schaedler und Carl von Vogelsang zählte er zum
einflussreichen «rechten» Flügel der erweiterten
Opposition. Vogelsang war wie zuvor im LHD lei-
tender Redaktor der Parteizeitung, des nunmeh-
rigen «Liechtensteiner Vaterland».
Politische Praxis und personelle Zusammenset-
zung des LHD als rechtsgerichtete liechtensteini-
sche Oppositionsbewegung sind andernorts aus-
führlich dargestellt.'!! In Bezug auf Alois Vogt sollen
zwei Eigentümlichkeiten des LHD kurz beleuchtet
werden. Von Belang sind erstens die ideologische
Annäherung an völkische, antiliberale und autori-
täre Positionen in der europäischen Rechten der
Dreissigerjahre, zum zweiten die organisatorische
Verbindung mit Stellen und Personen im national-
sozialistischen Deutschland. Für die politische Prä-
gung Vogts und für seine spätere Zusammenarbeit
mit Regierungschef Dr. Josef Hoop sind weitere
Hintergründe benennbar: Vogts Studienzeit in
Österreich und soziale Querverbindungen in der
liechtensteinischen Kleingesellschaft.
STÄNDESTAATSIDEE UND ANTISEMITISMUS
Der LHD hatte kaum eigenes ideologisches Profil
Er bediente sich ausländischer Modelle. In Rhe-
torik und organisatorischer Selbstdarstellung wur-
den Elemente des deutschen Nationalsozialismus
und italienischen Faschismus, der österreichischen
Ständestaatsidee und der schweizerischen Erneue-
rung übernommen. Ausdrücklich lehnte man sich
an die katholische Gesellschaftslehre an. Die kirch-
liche Kritik an wirtschaftlicher und kultureller Mo-
dernisierung traf sich mit dem Wunsch nach einer
konservativ-autoritären Wende. Auch die antisemi-
tischen Ausfälle des LHD konnten an eine katholi-
sche Tradition anknüpfen und fanden über die
Grenzen der Organisation Gehör. '*
Ideologisch exponierte sich Alois Vogt von An-
fang an. Er verfasste zahlreiche Leitartikel in der
LHD-Zeitung und trat an den LHD-Versammlungen
neben Otto Schaedler als Redner auf. Zentral in
Vogts Texten ist die Propagierung eines liechten-
steinischen Ständestaates zur Überwindung von
Parteienstreit und Wirtschaftskrise. Vogt beschwor
den Gemeinnutz und die «religiösen und kulturel-
len Güter» Liechtensteins, die es gegen Atheismus
6) Geiger: Krisenzeit 2, 5. 180.
7) In den liechtensteinischen Landtagsakten 1946 finden sich die
staatsanwaltlichen Grundlagen zu dieser Überlegung: LLA LTA 1946
L 26.
8) Dokumentiert im Bundesarchiv Bern (BAB): BAB E 2001 (E)
1969/262 Bd. 40 sowie ebenda E 4320 (B) 1990/133 Bd. 52.
9) Zu dieser Quellenproblematik ergab sich eine Kontroverse Zwi-
schen den deutschen «Liechtenstein-Historikern» Horst Carl und
Gerhard Krebs. Siehe Horst Carl: Vom Handlungsspielraum eines
Kleinstaates - zu Gerhard Krebs: Zwischen Fürst und Führer.
Liechtensteins Beziehungen zum «Dritten Reich». In: GWU 8 (1989).
5. 486-493.
Kurzbeleg: Carl: Vom Handlungsspielraum eines Kleinstaates.
0) Formulierung von Alois Vogt in einem Schreiben an Dr. Alfred
Zehnder (EPD) vom 8. Juli 1946. Siehe BAB E 4320 (B) 1990/133
Bd. 52.
11) Ich stütze mich auf folgende Arbeiten: Joseph Walk: Liechten-
stein 1933-1945. Nationalsozialismus im Mikrokosmos. In: Das Un-
rechtsregime. Hrsg. Ursula Büttner. Hamburg 1986, Bd. 1,
S. 376-425. Kurzbeleg: Walk: Liechtenstein 1933-1945,
Klaus Biedermann: Der Liechtensteiner Heimatdienst 1933-1935.
Drei Jahre Kampf gegen den Parteienstaat für eine berufsständische
Irdnung, Seminararbeit Univ. Bern, 1991.
Geiger: Krisenzeit 1, S. 365-413.
12) Antisemitismus artikulierte sich im Liechtenstein der Zwanziger-
bis Vierzigerjahre in der Presse, bei den Pfadfindern, in Landtags-
debatten und - bürokratisch kanalisiert - im Nachvollzug deutscher
Vertreibungs- und schweizerischer Einwanderungspolitik gegenüber
jüdischen Personen ab 1938. Siehe Walk: Liechtenstein 1933-1945,
S. 379-384, sowie Geiger: Antisemitismus und Liechtenstein, öffent-
licher Vortrag 26. Mai 1997. Derselbe: Krisenzeit 2, 5. 427-467
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