Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

DIE ZUSCHREIBUNG DES VERRATS 
AN ULI MARISS 
Wie könnte es später zur Gleichsetzung des «Ulrich 
ob der Kirchen» im Frastanzer Jahrzeitbuch mit 
dem um 1500 in Schaan bezeugten Uli Mariss ge- 
kommen sein? Auf eine heisse Spur wies bereits 
Alexander Frick hin, indem er Darlegungen des 
liechtensteinischen Historikers Peter Kaiser an- 
führte, die Mariss in Verbindung mit den Hexen- 
verfolgungen bringen. Kaiser schrieb um die Mitte 
des 19. Jahrhunderts: «Das sonst angesehene Ge- 
schlecht der Düntel in Schan, so wie das der Mariß 
wurde besonders hartnäckig verfolgt. Beide Fami- 
lien sind seitdem erloschen.»® 
Hatte vielleicht die Namensähnlichkeit zwischen 
der im Frastanzer Jahrzeitbuch eingetragenen Per- 
son und dem Zunamen des Uli Mariss dazu geführt, 
dass der Verrat von 1499 Jahrzehnte später eine 
Rolle bei der Verfolgung eines oder mehrerer Mit- 
glieder der Familie Mariss als Hexen oder Zauberer 
spielte? Die Auffassung, dass sich die verderbliche 
Bösartigkeit und der Hang zur Schädlichkeit ver- 
erbten, gehörte jedenfalls zum Standardrepertoire 
der Verfolger. Und für das Jahr 1598 ist tatsächlich 
die Bezichtigung einer Els Mariss durch die Ge- 
meindegeschworenen von Schaan belegt. Sie wur- 
de in der Folge mit grosser Wahrscheinlichkeit als 
Hexe hingerichtet.? 
Die Abstammung von dem Verräter, der die 
höchsten Menschenverluste seit unvordenklichen 
Zeiten (mit)verursacht haben sollte, bildete für 
die Mitglieder der Familie Mariss zusätzlich eine 
starke Stigmatisierung. Bezeichnenderweise schei- 
nen die Mariss kurz nach 1600 in Schaan nicht 
mehr auf.! 
Der Verrat von 1499 hatte sich noch verheeren: 
der ausgewirkt als die Taten der Hexen. Diese gal- 
ten ebenfalls als Verräter, und zwar an der gesam- 
ten Christenheit; denn sie verbanden sich zu deren 
Schaden mit den Mächten des Bösen und fügten 
den Menschen heimtückisch unermesslichen Scha- 
den zu. 
Die Zuschreibung des Verrats an Uli Mariss 
musste nicht in zynischer Absicht erfolgt sein, 
sondern konnte durchaus derselben Überzeugung 
entspringen wie die ernsthafte Bezichtigung des 
Wetterzaubers und der magischen Schädigung von 
Tieren. 
Die Annahme einer nachträglichen Gleichset- 
zung des Verräters von 1499 mit Uli Mariss im Zuge 
der Hexenverfolgungen entkräftigt überdies einen 
berechtigten Einwand Alexanders Fricks, der 
meinte, die Bewohner von Schaan hätten sich 
ınter gewöhnlichen Umständen «sicher dagegen 
gewehrt, dass einer der ihrigen zu Unrecht so ver- 
unglimpft werde».'! Wie sich zeigen lässt, erhielt 
die Überlieferung von Mariss’ Verrat in Schaan 
eine zumindest gleich schlechte Erinnerung wie 
diejenige in Frastanz, obwohl die Region von 
Schaan — anders als der Walgau und das Grosse 
Walsertal - bei der Schlacht von 1499 keine Opfer 
zu beklagen hatte. Dass die Liechtensteiner mit 
ihrem Landsmann trotzdem so hart ins Gericht 
zingen, passt gut zum Klima der Hexenverfolgun- 
gen, die dort bekanntlich spätestens im 17. Jahr- 
hundert beachtliche Ausmasse annahmen. 
DIE VERFLUCHUNG DES ULI MARISS 
Verstärkt wird die Vermutung, dass die Rolle des 
Uli Mariss eng mit den Hexenverfolgungen zusam- 
menhing, durch folgenden Brauch, den ebenfalls 
schon Alexander Frick anführte: «Wenn ... das 
Wetter sich gar nicht recht einstellen wollte, gingen 
die Leute von Mauren in offizieller Prozession nach 
St. Ilga in Tosters. Wenn das nichts nützte, griff 
man zu einem richtigen Zauber. Eine Schar Mäd- 
hen und Frauen fanden sich zusammen und pil- 
gerten nach Maria Ebene. Dort beteten sie einen 
Rosenkranz, aber statt eines Geheimnisses fügten 
sie in der Mitte des Ave Maria immer die Verwün- 
schung ein: «Verfluocht und vermaledeit sei der 
Uoli Maris», Und wenn sie das fünfzigmal getan 
hatten, so waren sie überzeugt, dass [sich] nun das 
Wetter bessern werde. Das nannte man <den UVoli 
Maris verfluchen».»'* 
Hier zeigt sich die enge Verbindung zwischen 
Mariss und dem Hexenwesen ganz deutlich: Der 
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