200 JAHRE GEMEINDEGRENZEN SCHAAN/VADUZ/
PLANKEN / ALOIS OSPELT
ein fälliger Gemeindsteil nicht mehr vom Vater auf
den Sohn, sondern auf den jeweils ältesten Anwär:
ter übergehen.®*
Ein inhaltlich fast gleiches Schreiben ging am
selben Tag an die Gemeindevorgesetzten von Va-
Jduz mit dem Schluss: «Man zweifelt nicht, die Vor-
gesetzten werden als Männer, die die Billigkeit
lieben, diese Beschwerden gar wohl einsehen, und
selbst trachten, dass eine Ungleichheit abgestellet
und künftighin gegründete Klagen vermieden blei-
ben».°?
Die erwähnten verschiedenen Klagen hatten
das Verhältnis zwischen Schaan und Vaduz offen-
sichtlich zusehends belastet. Am 27. Juni 1793
führte die Gemeinde Vaduz erstmals Klage gegen
Schaan.® Seit einiger Zeit bestünden Klaggründe
gegen Schaan. Jetzt würden sie schriftlich vorge-
bracht, um eine Regelung zu erreichen. Es handel-
te sich um folgende Klagpunkte: Erstens brächte
das Schaaner Sommerried nicht den möglichen
Nutzen; ein Teil des Rieds sollte «gemeinschaftlich
egingegraben werden, damit das Streue-Ried von
dem Atzungs-Ried geschieden, und so jeder Thei)}
für den Gemeindsmann in allweg nützlicher und
brauchbarer werde». Zweitens sollte Schaan eini-
gen Vaduzer Gemeindsleuten im Schaaner Bezirk
nutzbare Waldungen anweisen. Drittens hätte
Schaan vor einigen Jahren herrschaftliche Güter
angekauft, davon aber bisher keine Steuer erlegt.““
Auch diese Güter müssten in die Steuer gelegt
werden. Das Oberamt wolle, so schloss die Klag-
schrift, «die Gemeinde Schaan und ihre Bürger
dahin anzuhalten geruhen, dass diesen unsern
Klägden nachbarlich abgeholfen, und unsere Wün-
sche erfüllet werden mögen». Die Beschwerde
wurde der Gemeinde Schaan zugestellt mit dem
Auftrag, sich innert 14 Tagen «darüber standhaft
vernehmen zu lassen». Ob und wie sich Schaan
dazu geäussert hat, ist aus den Akten nicht zu
entnehmen.
Wahrscheinlich waren alle bisher erwähnten
Vorstösse vorerst ergebnislos geblieben. Am 27.
März 1795 jedenfalls gelangten vier «minder ver-
mögliche Untertanen in der Gemeinde Vaduz», die
alle schon frühere Beschwerden mit unterzeichnet
hatten, an den Fürsten.® Sie nahmen sich «die
Freiheit, sich vor dem Throne Ihrer Herzoglichen
Durchlaucht in tiefster Ehrfurcht niederzuwerfen
und um eine Gnade demüthigst zu flehen.» Vor
etwa zwei Jahren, hiess es in der Bittschrift, hätte
der Fürst dem Oberamt den Auftrag erteilt, «dass
die Gemeinheiten zwischen Vaduz und Schaan
voneinander abgesöndert und einem jeden, wel-
cher keine Gemeindstheilung hat, ein Stück von der
Allmeind zugetheilet werden solle.» Bisher sei
«wegen besondern Umständen» der Auftrag nicht
erfüllt worden. Deshalb bäten die Unterzeichneten
um Vollzug des Auftrags. Es gäbe viele «arme
Gemeindsmänner», die schon 20, 30 und mehr
Jahre gleich wie die Bemittelten die «Gemeinds-
beschwerden» getragen hätten. Es herrsche harte
und drückende Teuerung, «dass sich der arme und
minder vermögliche Unterthan nebst den Seinigen
kaum mehr mit Ehren durchzubringen im Stande»
sei. Es wäre viel unkultivierter Boden vorhanden.
Wenn davon jedem Notdürftigen ein Stück zugeteilt
würde, könnte dem armen Untertanen «bey gegen-
wärtig üblen Kriegszeiten und in die Zukunft in den
so vielfachen Beschwerden einige Linderung ver:
59) LLA RA 29/3/1/4, Schriftsatz («Fürsteher der Gemeinden Vaduz
und Tschaan» an Oberamt), o. D., eingegangen am 29. April 1790.
60) LLA RA 29/3/1/5, Oberamtsbefehl an die Vorsteher der Gemein
de Schaan, 21. Dezember 1791.
61) LLA RA 29/3/1/6, Oberamtsprotokoll über die Antwort der
Schaaner Vorsteher, Landammann Lorenz Tschetter und Alexander
Frick, 31. Dezember 1791.
62) LLA RA 29/3/7: Joseph Boss an Oberamt, 8. März 1793, Ober-
amt an Vorsteher der Gemeinde Vaduz, 14. März 1793.
63) L1L.A RA 29/3/8, Oberamt an Thomas Hilti und Konsorten in
Vaduz. 5. Navember 1793,
64) LLA RA 29/3/9, Oberamt an Gemeindevorgesetzte zu Vaduz.
>. November 1793.
65) LLA RA 29/4, Gemeinde Vaduz an Oberamt wegen «schlechter
ınd ungleicher Benutzung der Gemeindegüter», 27. Juni 1793
66) Damit war wohl der von der Gemeinde Schaan erworbene
Gamanderhof gemeint.
67) LLA RA 32/1/2, Bittschrift von Johannes Ospelt, Thomas Hilty.
Joseph Hilty und Jörg Thöny an die Gemeinde Vaduz. 27. März
1795.
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