REZENSIONEN / BAU- UND KUNSTDENKMÄLER
IM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN
Text zu den drei bildlichen Gebäudestudien be-
gnügt sich mit einer Sprache, die sich kaum mehr
von firmeneigener Werbung unterscheidet. Mit ei-
nem bemerkenswerten Unterschied: Es bleibt un-
erwähnt, welche Produkte eigentlich in den Gebäu-
den konzipiert beziehungsweise fabriziert werden.
Hier stellt sich allerdings die Frage, was Autor und
Verlag bewogen hat, gegenwärtige Industriearchi-
s:ektur in die historischen Baudenkmäler Liechten-
steins zu reihen. Auch bei anderen Vertretern zeit-
geschichtlicher Architektur ist die kunst- und bau-
geschichtliche Aussagekraft gering bis ungenau. So
werden unter die Formensprache des «Neuen Bau-
ens» der Zwischenkriegszeit sowohl ein Wohnhaus
des Architektur-Pioniers Ernst Sommerlad als auch
das etwa zeitgleich entstandene Vaduzer Rathaus
von Franz Roeckle zusammengefasst. Dies ist ange-
sichts der auffällig historisierenden Züge des Rat-
hausbaus nicht nur eine künstlerisch merkwürdige
Assoziation. Die Einordnung Roeckles in die bau-
liche Moderne entbehrt auch nicht der biographi-
schen Ironie: Das Rathaus — schreibt Wilhelm - sei
«in seiner Bauform ganz dem damaligen Zeitgeist
verpflichtet». Franz Roeckle sass bei der Einwei-
hung des Rathauses noch im Vaduzer Gefängnis,
als nationalsozialistischer Mittäter der Rotter-Ent-
führung, in seiner Baugesinnung und wohl auch
politisch weit entfernt vom Zeitgenossen Ernst
Sommerlad
oindungslinien, welche die Einordnung der kunst-
vollen Lebenszeugnisse in Entwicklungszusam-
nenhänge und Siedlungskontexte erlauben, sind
‚edenfalls noch nachzutragen oder von den Lesen-
den anhand der angegebenen Literatur selbst zu
ergänzen. Angesichts der von Wilhelm geübten
Aufmerksamkeit für Sakral- und Profanbauten der
älteren Vergangenheit wäre eine ebenso verstän-
dige Fortschreibung in die zeitgeschichtliche Ge-
genwart wünschbar und erhellend.
1) Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechten-
stein. Basel, 1950,
FORTSCHREIBUNG IN DIE GEGENWART
Die Vorstellung des liechtensteinischen Kultur-
raums im vorliegenden Bildband folgt dem Verlauf
der Gemeinden von Norden nach Süden. Das von
Wilhelm beschriebene Kulturerbe erschliesst sich
freilich im Übergreifen dieser politischen Gliede-
rung. Hier gibt der Band einiges Anschauungsma-
terial für historische Verbindungen im liechten-
steinischen und weiteren Alpengebiet. Was eine
gerade durch die englischen und französischen
Vorworte angesprochene Leserschaft hierbei ver-
missen wird, ist eine kartographische Darstellung
des besprochenen Raumes. Kulturräumliche Ver-