sionen, sondern eben sichtbarer Niederschlag lan
ge vorherrschender Wohn- und Lebensformen.
Schliesslich werden Bauernhäuser in Innenausstat-
tung und Funktion angesprochen. Durch Umbau
ten scheinen einige von ihnen über Jahrhunderte
praktische Nutzungs- und Lebensorte geblieben zu
sein. Sinnvoll ist auch, dass im Text Verbindungen
hergestellt werden, die in den Bildern unausge-
sprochen beziehungsweise in der fotografischen
[ndividualisierung von Gebäuden auch unanschau-
lich bleiben. Wie immer aufschlussreich sind jene
[nformationen, welche die örtliche materielle Kul-
tur in ihr nahes und weiteres Umland einbetten.
Auch hier kann Wilhelm an bereits Publiziertes
anschliessen, insbesondere an das derzeit sich in
Neubearbeitung befindliche Standardwerk von Er-
win Poeschel aus dem Jahre 1950.' Die Auslands-
verwiesenheit von Ortsansässigem zieht sich auch
in diesem Buch durch alle Bereiche, vom Rhein-
taler Bauernhaus über die spätgotische Kirchen-
plastik aus dem süddeutschen Raum bis zu den
Stationsgebäuden der österreichischen Eisenbahn
im Durchgangsland Liechtenstein.
Zu kurz greift der Band gegenüber dem eigenen
Vorsatz, «anhand von Bau- und Kunstdenkmälern
das Fürstentum Liechtenstein als Kulturraum vor-
zustellen». Letzterer ist eben nicht nur erhaltens-
wert, sondern auch wandelbar. Hier kann eine all-
zu kulinarische Darstellungsweise von Gebäuden
das kulturelle Gepräge verklären und verunklaren.
Zumeist begegnen uns die vom Autor beschriebe-
nen Objekte oder Objektgruppen als fein aus Dorf-
bild und -entwicklung herauspräparierte, sonnen-
beschienene und menschenleere Stilleben. Der
Zusammenhang von Ökonomie, Siedlungsgeschich-
te, Dorfwandel und Wohnformen bleibt unanschau-
lich und unerkannt. Damit wird der Kulturraum
nicht nur faktisch unterbelichtet: Sein bauliches
Erscheinungsbild wurde in den Jahrzehnten nach
dem Zweiten Weltkrieg stärker geprägt als in den
vielen Jahrhunderten zuvor. Angesichts anderer
Möglichkeiten der Bilddokumentation (historische
Bildvergleiche, Siedlungsaufnahmen, Veduten etc.)
entspricht die gewählte Präsentation auch einer
inhaltlichen Verkürzung des Kulturbegriffs.
RÜCKWÄRTSGEWANDTER KULTURBEGRIFF
Wilhelm legt einen konservatorischen Akzent auf
bäuerliche und vorindustrielle Kulturzeugnisse.
Dies ist vor dem Hintergrund des anhaltenden
Landschaftsfrasses und einer grassierenden Bau-
wut nur zu verständlich. Problematischer ist es,
auch den Begriff des Kulturraums vom Tradierten
herzuleiten. Bereits im Geleitwort wird der zu-
nächst allgemein eingeführte Begriff der «Kultur-
iandschaft» zurückbuchstabiert auf ein Ensemble
traditioneller Merkmale: Bauernhäuser, Dorfbrun-
nen, Kirche und Burg. Diesen Bestand gelte es als
«Kulturerbe» zu wahren, gegen dessen «Verun-
treuung» und gegenüber «störend eingreifender
neuzeitlicher Bauentwicklung». Was genauer unter
solchen Vorgängen zu verstehen sei, wird nicht
weiter erörtert. Tatsächlich verharrt das Buch in
einer unentschiedenen Stellung zu Bauten und
Bauentwicklungen der jüngeren Vergangenheit.
Angemessen und beinahe überfällig ist einerseits
die Aufnahme moderner Zweck- und Wohnbauten
in einen derart kursorischen Denkmalsführer zum
liechtensteinischen Kulturraum. Hier finden Ar-
chitekturdokumentation und Industriearchäologie
auch bei Wilhelm zu ihren vereinzelten Schaufens-
tern. Jedoch gerät hier die auswählende Präsenta-
tionsweise zu einer äusserst knappen bis dürftigen
Katalogisierung jener Denkmäler, mit und in denen
wir immerhin noch leben.
Gerade im Falle industrieller Grossbauten zei-
gen sich die Defizite einer Gebäude und Gebäude-
gruppen isolierenden Darstellungsweise. Vermisst
werden müssen Hinweise auf jenen Kontext, in
welchem Industriebauten in Liechtenstein entstan
den sind und stehen, ebenso deren genauere Loka-
lisierung im Landschaftsbild. Während bei Bauern-
häusern oft noch Nutzungs- und Naturhintergrün-
de angesprochen und im Bild erahnbar werden,
sind Sprache und Bilder gegenüber den Fabriken
inhaltsarm und geglättet. Zur Textilfabrik Jenny,
Spoerry & Cie. in Vaduz wird wenigstens noch der
Produktionszweck und der sozialgeschichtliche Do-
kumentationswert des Baus angeführt. Anders bei
zwei modernen Industriebauten in Schaan. Der
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