Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

sionen, sondern eben sichtbarer Niederschlag lan 
ge vorherrschender Wohn- und Lebensformen. 
Schliesslich werden Bauernhäuser in Innenausstat- 
tung und Funktion angesprochen. Durch Umbau 
ten scheinen einige von ihnen über Jahrhunderte 
praktische Nutzungs- und Lebensorte geblieben zu 
sein. Sinnvoll ist auch, dass im Text Verbindungen 
hergestellt werden, die in den Bildern unausge- 
sprochen beziehungsweise in der fotografischen 
[ndividualisierung von Gebäuden auch unanschau- 
lich bleiben. Wie immer aufschlussreich sind jene 
[nformationen, welche die örtliche materielle Kul- 
tur in ihr nahes und weiteres Umland einbetten. 
Auch hier kann Wilhelm an bereits Publiziertes 
anschliessen, insbesondere an das derzeit sich in 
Neubearbeitung befindliche Standardwerk von Er- 
win Poeschel aus dem Jahre 1950.' Die Auslands- 
verwiesenheit von Ortsansässigem zieht sich auch 
in diesem Buch durch alle Bereiche, vom Rhein- 
taler Bauernhaus über die spätgotische Kirchen- 
plastik aus dem süddeutschen Raum bis zu den 
Stationsgebäuden der österreichischen Eisenbahn 
im Durchgangsland Liechtenstein. 
Zu kurz greift der Band gegenüber dem eigenen 
Vorsatz, «anhand von Bau- und Kunstdenkmälern 
das Fürstentum Liechtenstein als Kulturraum vor- 
zustellen». Letzterer ist eben nicht nur erhaltens- 
wert, sondern auch wandelbar. Hier kann eine all- 
zu kulinarische Darstellungsweise von Gebäuden 
das kulturelle Gepräge verklären und verunklaren. 
Zumeist begegnen uns die vom Autor beschriebe- 
nen Objekte oder Objektgruppen als fein aus Dorf- 
bild und -entwicklung herauspräparierte, sonnen- 
beschienene und menschenleere Stilleben. Der 
Zusammenhang von Ökonomie, Siedlungsgeschich- 
te, Dorfwandel und Wohnformen bleibt unanschau- 
lich und unerkannt. Damit wird der Kulturraum 
nicht nur faktisch unterbelichtet: Sein bauliches 
Erscheinungsbild wurde in den Jahrzehnten nach 
dem Zweiten Weltkrieg stärker geprägt als in den 
vielen Jahrhunderten zuvor. Angesichts anderer 
Möglichkeiten der Bilddokumentation (historische 
Bildvergleiche, Siedlungsaufnahmen, Veduten etc.) 
entspricht die gewählte Präsentation auch einer 
inhaltlichen Verkürzung des Kulturbegriffs. 
RÜCKWÄRTSGEWANDTER KULTURBEGRIFF 
Wilhelm legt einen konservatorischen Akzent auf 
bäuerliche und vorindustrielle Kulturzeugnisse. 
Dies ist vor dem Hintergrund des anhaltenden 
Landschaftsfrasses und einer grassierenden Bau- 
wut nur zu verständlich. Problematischer ist es, 
auch den Begriff des Kulturraums vom Tradierten 
herzuleiten. Bereits im Geleitwort wird der zu- 
nächst allgemein eingeführte Begriff der «Kultur- 
iandschaft» zurückbuchstabiert auf ein Ensemble 
traditioneller Merkmale: Bauernhäuser, Dorfbrun- 
nen, Kirche und Burg. Diesen Bestand gelte es als 
«Kulturerbe» zu wahren, gegen dessen «Verun- 
treuung» und gegenüber «störend eingreifender 
neuzeitlicher Bauentwicklung». Was genauer unter 
solchen Vorgängen zu verstehen sei, wird nicht 
weiter erörtert. Tatsächlich verharrt das Buch in 
einer unentschiedenen Stellung zu Bauten und 
Bauentwicklungen der jüngeren Vergangenheit. 
Angemessen und beinahe überfällig ist einerseits 
die Aufnahme moderner Zweck- und Wohnbauten 
in einen derart kursorischen Denkmalsführer zum 
liechtensteinischen Kulturraum. Hier finden Ar- 
chitekturdokumentation und Industriearchäologie 
auch bei Wilhelm zu ihren vereinzelten Schaufens- 
tern. Jedoch gerät hier die auswählende Präsenta- 
tionsweise zu einer äusserst knappen bis dürftigen 
Katalogisierung jener Denkmäler, mit und in denen 
wir immerhin noch leben. 
Gerade im Falle industrieller Grossbauten zei- 
gen sich die Defizite einer Gebäude und Gebäude- 
gruppen isolierenden Darstellungsweise. Vermisst 
werden müssen Hinweise auf jenen Kontext, in 
welchem Industriebauten in Liechtenstein entstan 
den sind und stehen, ebenso deren genauere Loka- 
lisierung im Landschaftsbild. Während bei Bauern- 
häusern oft noch Nutzungs- und Naturhintergrün- 
de angesprochen und im Bild erahnbar werden, 
sind Sprache und Bilder gegenüber den Fabriken 
inhaltsarm und geglättet. Zur Textilfabrik Jenny, 
Spoerry & Cie. in Vaduz wird wenigstens noch der 
Produktionszweck und der sozialgeschichtliche Do- 
kumentationswert des Baus angeführt. Anders bei 
zwei modernen Industriebauten in Schaan. Der 
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