Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

ZUR BAUGESCHICHTE DES HOTELS LÖWEN - EINER 
JAHRHUNDERTEALTEN TAVERNE / PETER ALBERTIN 
Umbau und Erhöhung von 1786 
Der bisherige Eigentümer Joseph Ferdinand Leon 
Rheinberger, 1734 bis 1814, vermählte sich 1786 in 
zweiter Ehe mit der verwitweten Engelwirtin Fran- 
ziska Seger und zog in den Engel um. Den Löwen 
übergab er seinem erst 23-Jährigen Sohn Johann 
Rheinberger, 1763 bis 1815. Dieser nutzte die Gunst 
der Stunde, denn im Zeitraum von 1770 bis 1786 
wurde die «Deutsche Strasse» von Bregenz bis 
Chur vom Saumpfad und Karrenweg zur befahrba- 
cen Strasse ausgebaut, das Verkehrsaufkommen 
nahm dadurch stark zu. Er modernisierte den 
‚öwen und erhöhte ihn um ein zweites Oberge- 
schoss, wodurch weitgehend der uns heute vorlie- 
gende Gasthof in seiner markant spätbarocken Ge- 
staltung entstand. 
Die Baumassnahmen umfassten im Altbau vor 
allem den Ersatz der bisherigen Butzenscheiben 
durch lichtdurchlässigere, fein profilierte Spros- 
senfenster (Abb. 20), wie sie seit Mitte des 18. Jahr- 
hunderts von Frankreich her kommend vorerst an 
Zürgerhäusern, dann im ausgehenden 18. und 
oeginnenden 19. Jahrhundert auch an Bauernhäu- 
sern an Beliebtheit gewannen. Dabei wurden in- 
aenseits gleich die Fensterleibungen etwas gewei- 
‚et und die für Butzenscheiben konzipierten, nun 
veralteten Sitzbänke in den Fensternischen ent- 
"ernt, denn nun flutete Licht in die Räume. Aus- 
senseits gerundete, hölzerne Kreuzstöcke unterteil- 
ten die Öffnungen der Fenster. Diese Fenster von 
1786 gehörten hierzulande zu den ersten Spros- 
senfenstern schlechthin.“ Diverse dieser Fenster- 
lügel sind bis 1986, also während 200 Jahren, in 
Funktion verblieben - nun aber mit der aktuellen 
Aenovation ersetzt. In der zweiten Hälfte des 18. 
Jahrhunderts übernahmen ziervolle Schrankmöbel 
die Funktion des Raumschmuckes —- damit aber 
haben Wand- und Deckenmalereien ausgedient. 
So liess Johann Rheinberger denn auch alle Räume 
ım Altbau neu überputzen und damit die 1744 
angebrachten Ausmalungen verdecken. Die räum- 
ıiche Erweiterung um ein zweites Obergeschoss 
verlangte nach Einbau eines breiteren, zweiläufi- 
gen Treppenaufganges vom Erdgeschoss bis ins 
Jachgeschoss, versehen mit einem schmucken Ba- 
‚ustraden-Geländer barocker Art. Ein in der Süd- 
westmauer des Ganges 15 gelegenes, 1744 ausge- 
maltes Fenster wurde dabei zugemauert. Aus den 
Rentamtsrechnungen von 1786*°° über die Einnah- 
men der herrschaftlichen Ziegelei Nendeln ist zu 
entnehmen, wie Johann Rheinberger für seinen 
Umbau 5130 Stück Dachziegel, 2550 Stück Ton- 
platten für Fliesenböden und 78 Stück Schnittlinge 
ispezielle Dachziegelformen) bezog.*! 
Im Kellergeschoss sind keine wesentlichen, den 
Umbaumassnahmen von 1786 zugewiesenen Ver- 
änderungen festgestellt. Und auch das Erdgeschoss 
verrät wenig von den Eingriffen um 1786; nebst 
ler Erneuerung und Weitung der Fenster und ei- 
nem Türdurchbruch zwischen den Räumen 13 und 
14 dürften die Bauarbeiten vor allem Bodenbeläge 
und Wandverkleidungen betroffen haben. Die be- 
stehende Bau- und Raumstruktur blieb respektiert. 
Der Raum 13 erhielt zwei neue Türdurchbrüche 
ınd eine Trennwand eingestellt (Abb. 17). Raum 
L& wurde gegenüber Raum 15 durch eine Scheide- 
wand abgetrennt. 
Das erste Obergeschoss entbehrte ebenso wie 
das Erdgeschoss wesentlicher struktureller Ände- 
rungen. Zu Gunsten der neuen, breiteren Treppe 
wurde die Trennwand zwischen den Räumen 24 
einerseits und 25-26 andererseits um etwa 60 
Zentimeter zurückversetzt und das hier über Raum 
24 ziehende, bemalte Deckengebälk abgetrennt 
(Abb. 25). Zu den Fenstern gelten dieselben Be- 
funde wie im Erdgeschoss. Auch hier haben wir 
noch einige Fensterflügel von 1786 bis ins Jahr 
1987 in Verwendung vorgefunden. 
29) Am museal versetzten «Schellenberger»-Wohnhaus sind sogar 
1793 d noch neue «unechte» Butzenfenster angeschlagen worden. 
Butzenscheiben sind mundgeblasen, die Verdickung im Zentrum, 
zenannt «Butzen», war der Blasrohransatz. «Unechte» Butzenschei- 
Jen sind aus Flachglas geschnitten und kommen in der Übergangs- 
zeit vom Butzenglas zum Sprossenfenster verbreitet vor. 
30) Ospelt, Josef: Aus den Rentamtsrechnungen für 1786: In: JBL, 
Band 48 (1948), S. 21 £. 
31) Interessant sind hieraus auch die gesamten Produktionsmengen 
ler hierzulande einzigen Ziegelei: Im ganzen Jahr 1786 wurden 
Irei Brände beschickt mit insgesamt 17 850 Dachziegeln, 1 510 
Bodenplatten, 150 Schnittlingen und 158 Hohlziegeln (als Firstzie- 
gel): zudem drei Brände Kalk
	        

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