Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

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Zeit und Mentalität 
Zum Schluss muss man sich aus der Rückschau die 
Zeitbedingungen vergegenwärtigen: Zweiter Welt: 
krieg, die Schweiz und Liechtenstein vom Krieg 
umflossen, Gefährdung von allen Seiten, Unsicher- 
heit, ob man nicht angegriffen werde, Pflichten, 
kriegswirtschaftliche Einschränkungen, Zukunfts- 
und Lebensangst, Todesangst. Da erschienen Ver- 
ratshandlungen gegen das eigene Land als Dolch- 
stösse, Verräterei als eine Form der Kriegführung, 
die Verräter als Feinde, als zum Feind übergelau- 
"ene Soldaten, denen man schliesslich, nach Ge- 
richtsverfahren zwar, auf dem Richtplatz auch mit 
der Waffe entgegentrat. In jener Zeitsituation und 
Stimmung wussten sich die Behörden mit der Be- 
völkerung in solcher Bewertung der Landesverrä-: 
ter, auch der Todesurteile, einig. 
Auch in Liechtenstein nahm man den Prozess 
gegen Alfred Quaderer und seine Hinrichtung, die 
man erfuhr, offenbar mit Interesse, aber ohne gros- 
ses Mitleid hin. Viele waren empört ob des verräte- 
rischen Treibens. Manche, zumal die aktiven NS- 
Gegner, empfanden Genugtuung über die Strafe. 
Diese erschien als hart, aber gerecht und nötig. Im 
Krieg galt ein Menschenleben wenig, gar das eines 
Verräters. Die Behörden zeigten wenig Eifer, zu- 
gunsten des Lebens von Quaderer einzuwirken, 
das Landesinteresse, die Bewahrung des guten 
Verhältnisses zur Schweiz, ging vor. Quaderer war 
seit der Primarschulzeit landesabwesend, halb 
fremd, Schweizer Dialekt redend, man kannte ihn 
hier kaum mehr. Nach dem Krieg redete man 
wenig mehr davon, man wusste auch nichts Ge- 
naues, 
Eines führt der hier geschilderte Fall des Alfred 
Quaderer gerade auch für das kriegsverschonte 
Liechtenstein drastisch vor Augen: Ins allgemeine 
Kriegsgeschehen waren lauter Einzelschicksale 
eingebettet, und es ging um Leben und Tod. 
Dass freilich der Tod auch im extremsten 
Schuldfall einem Menschen nicht als gerichtliche 
Strafe von Staates wegen zugefügt, sondern ihm 
sein Letztes, das Leben, immer bewahrt werden 
sollte - wie es die Überzeugung des Verfassers ist —, 
dies hat in jener extremen Zeitsituation nicht der 
allgemeinen Mentalität entsprochen. 
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