Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
Verfolgen wir den Gang von Quaderers Begnadi- 
gungsgesuch genauer. 
In seinem persönlichen Begnadigungsgesuch 
machte Quaderer sein jugendliches Alter, seine 
ausländische Nationalität und besonders sein um- 
fassendes Geständnis, das zur Aufklärung der 
ganzen Spionagesache sehr beigetragen habe, gel- 
tend. Er hoffte dadurch auf Strafmilderung, jeden- 
falls Umwandlung des Todesurteils, 
Sein Pflichtverteidiger, Dr. Zollikofer, der schon 
im Prozess auf lebenslanges Zuchthaus statt der 
Todesstrafe plädiert hatte, argumentierte zuhan- 
den des Armeeauditors für Begnadigung: Die Be- 
gnadigungsinstanz dürfe den Fall anders behan- 
deln als das Gericht, sie könne «rein menschliche 
Werte und ethische Momente berücksichtigen», sie 
dürfe Gnade walten lassen, ohne die Autorität des 
Gerichts zu verletzen. Zollikofer wies darauf hin, 
dass mit Quaderer erstmals ein Ausländer durch 
ain Schweizer Militärgericht zum Tode verurteilt 
würde. Bezüglich von Kurt Roos, den Zollikofer 
abenfalls vertrat, verwies er ebenfalls auf dessen 
volles Geständnis, auf die Reue sowie den -— für 
Quaderer freilich belastenden - Umstand, 
«der junge Roos habe völlig unter dem Einfluss des 
Quaderer gestanden». 
Der Armeeauditor - dies war damals Oberstbriga- 
dier Jakob Eugster - referierte diese Verteidiger- 
argumentation zwar dem EMD weiter, beantragte 
aber ebenfalls Ablehnung der Gesuche von Quade- 
cer wie von Roos. 
Das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) 
wiederum erstattete seinerseits am 24. April 1944 
Bericht und Antrag zuhanden des Bundesrates. 
EMD-Vorsteher war seit Ende 1940 der freisinnige 
Bundesrat Karl Kobelt. Aus dem Rheintal stam- 
mend und in St. Gallen aufgewachsen, war Kobelt 
1933 bis 1940 St. Galler Regierungsrat, 1939/40 
auch Nationalrat gewesen. Im Militär war er Ge- 
neralstabsoberst. Das EMD schloss sich dem An- 
irag des Armeeauditors an und empfahl dem Ge- 
samtbundesrat ebenfalls Ablehnung der beiden 
Gnadengesuche. Es argumentierte gegenüber den 
Überlegungen des Verteidigers - die es ebenfalls 
weitergab -, die Begnadigungsbehörde dürfe der 
Strafjustiz nicht in den Arm fallen, besonders wenn 
3S um die höchsten Güter, um Erhaltung und Ver- 
‚eidigung des Staates selbst, gehe. Das Territorial- 
gericht 3b habe bei Quaderer den Urteilsspruch 
«wohl erwogen», indem es nämlich unter den zahl- 
zeichen im gleichen Verfahren Beurteilten den 
‚‚iechtensteiner Josef Arnold Vogt, den Italiener 
Pietro Rossi und die zwei Schweizer Funkersolda- 
ten Willy Hürlimann und Georg Ursprung nur zu 
ebenslangem Zuchthaus verurteilt habe, während 
aber für Quaderer, so das EMD, galt: 
«Die Schwere der Verfehlungen und das verletzte 
Interesse verlangen die volle Anwendung der 
Schärfe des Gesetzes und damit den Vollzug der 
Todesstrafe.» 
Und nach ähnlichen Erörterungen zu Roos, des- 
sen «raffinierte», «von einem stark verbrecheri- 
schen Willen» zeugende Taten ebenfalls wesentlich 
schwerer wögen als jene der lebenslänglich Ver- 
urteilten, schloss das EMD seine ablehnende Stel- 
lungnahme zu den Gnadengesuchen von Quaderer 
und Roos buchstäblich vernichtend: 
«Staat und Armee können nur durch die Vernich- 
sung solch niederer und gemeiner Kreaturen vor 
weiterem Schaden geschützt werden. Milde und 
Gnade liesse sich hier nicht rechtfertigen und 
müsste als Schwäche ausgelegt werden.» 
Auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepar- 
ijement (EJPD) war zur Stellungnahme zuhanden 
des Bundesrates eingeladen, es erstattete einen 
«Mitbericht» zum obigen EMD-Antrag. Geführt 
wurde das EJPD seit 1941 vom Konservativen 
Bundesrat Eduard von Steiger. Er war Berner und 
Exponent der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei 
BGB, heute SVP). Der EJPD-Mitbericht argumen- 
terte: Es stelle sich die Frage, ob Gründe zur Mil- 
de, um «Gnade für Recht zu setzen», vorlägen. Die 
schweizerischen Strafgesetze gäben den Richtern 
bereits weitgehende Möglichkeiten, die Strafe ab- 
zustufen. Die Verletzungen militärischer Geheim- 
nisse durch Quaderer seien «ausserordentlich 
schwer». Er habe von Juni 1941 bis zum 1. Januar 
1943 spioniert, über eineinhalb Jahre lang, aktiv, 
initiativ, Komplizen werbend, für eine Spionage- 
1Zu
	        

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