Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ 
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER 
2 
Landesverräter-Urteile 
in der Schweiz 
im Zweiten Weltkrieg 
Zweiten Weltkrieg, gerichtet waren. Spionage, die 
ein fremdes Land betraf und sich nicht gegen die 
Schweiz richtete, war nicht Landesverrat, sondern 
verbotener Nachrichtendienst. Im politischen Be- 
reich galt auch das Bemühen nationalsozialisti- 
scher Schweizer, die Schweiz ans Dritte Reich 
anzuschliessen, als Landesverrat. Doch war die 
Todesstrafe gegen politische Landesverräter in der 
Schweiz nicht möglich; gegen solche Schweizer 
sprach man lange Gefängnisstrafen aus, ab 1943 
konnte man sie, wenn sie im Reich weilten, aus- 
bürgern. Um diesen politischen Landesverrat geht 
es hier aber nicht. Die schweizerischen Landes- 
verräter-Urteile ergingen wegen militärischer Spio- 
nage und Sabotage zum Nachteil der Schweiz. So 
auch im Fall des Alfred Quaderer und der mit ihm 
in der Schweiz Verurteilten. 
Besonders merkwürdig erscheint der Umstand, 
dass mit Quaderer ein Liechtensteiner als schwei- 
zerischer Landesverräter hingerichtet wurde. Der 
Tatbestand des Landesverrats war nicht auf 
Schweizerbürger beschränkt, er betraf auch Per- 
sonen, welche in enger Verbindung zur Schweiz 
standen. Hier war Liechtenstein inbegriffen, ge- 
rade in der Kriegszeit. 
Man mag schliesslich fragen, wozu die folgen- 
de Ausbreitung der Einzelheiten, bis hin zu den 
sehr konkreten Hinrichtungsmomenten, denn die- 
ne. Alfred Quaderers Einzelschicksal wirft Licht- 
kegel in dunkle Ecken, in Verwicklungen und Zu- 
sammenhänge der Kriegszeit, auf das soziale Um- 
feld, auf parallele Lebensläufe, auf Mentalitäten, 
auf banale Motive für Verratshandlungen ebenso 
wie auf existentielle Staatsinteressen, auf Politik- 
felder der Schweiz, Liechtensteins und des Dritten 
Reiches. Schärfe und Nähe der Lichtkegel machen 
erst die realen Details sichtbar, aus denen die Ein- 
zelleben bestehen und das Ganze der Geschichte 
sich webt. 
ÜBERSICHT UND LIECHTENSTEINER ANTEIL 
in der Schweiz wurden wegen militärischen Lan- 
desverrats im Laufe des Krieges und bis zum Ende 
des Aktivdienstes — das heisst bis zum 20. August 
1945 — insgesamt 33 Todesurteile ausgesprochen, 
daneben noch 50 lebenslange Zuchthausstrafen so- 
wie weitere 218 zeitliche Zuchthausstrafen. Todes- 
urteile gab es danach keine mehr, wohl aber wei- 
;jere lebenslange und zeitliche Zuchthausstrafen 
wegen Landesverrats. 
Nicht alle Verurteilten waren Eidgenossen. Die 
33 gefällten Landesverräter-Todesurteile ergingen 
gegen 22 Schweizer, sieben Deutsche, drei Liech- 
tensteiner und einen Franzosen. Die gegen Liech- 
tensteiner gefällten Todesurteile machten somit 
immerhin neun Prozent aus. Unter den 50 mit 
lebenslangem Zuchthaus bestraften Landesverrä- 
‚ern figurierte ein Liechtensteiner. Die 218 zeit- 
lichen Zuchthausstrafen für Landesverrat betrafen 
neben 140 Schweizern und 59 Deutschen auch 
13 Liechtensteiner, daneben vier Italiener, einen 
Belgier und einen Franzosen. Schweizerische Spio- 
nage-Urteile, die nach dem 20. August 1945 er- 
gingen, erfassten nochmals weitere Personen aus 
Liechtenstein. 
Die in der Schweiz gegen die Liechtensteiner, 
darunter einige wenige Frauen, ausgesprochenen 
Zuchthausstrafen wegen Landesverrats und wegen 
Nachrichtendienstes für fremde Staaten waren 
lang. Allein nach den bis zum 31. Januar 1945 ge- 
fällten Urteilen waren es für 13 liechtensteinische 
Personen zusammen 89 Strafjahre. Mit später dazu 
kommenden Urteilen ergaben sich weit über 100 
Jahre Zuchthaus für Personen aus Liechtenstein 
wegen Spionagedelikten gegen die Schweiz zu- 
gunsten Hitlerdeutschlands. 
TODESURTEILE UND HINRICHTUNGEN 
Hier interessieren wegen des Falles Quaderer 
speziell die Todesurteile. Von den insgesamt 33 
schweizerischen Todesurteilen wurden sieben im 
Jahre 1942, zehn im Jahre 1943, 13 im Jahre 1944 
113
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.