kKesümee:
Zu Umständen und Interessen-
lagen der reichsdeutschen
Kontakte Alois Vogts
Alliierte Untersuchungsbehörden sprachen von
den Anstrengungen Dr. Vogts, Liechtenstein dem
Jeutschen Reich einzuverleiben.*® Sie stützten ihr
Jrteil auf Akten aus dem deutschen Dienstverkehr.
Demgegenüber erklärte die Zeitung «Liechtenstei-
ner Vaterland» kurz nach Kriegsende Alois Vogt
mit Blick auf die Putschabwehr 1939 zum Retter
des Landes vor einem drohenden Anschluss.“
Beide Beurteilungen hatten zweierlei gemeinsam:
der Beurteilte selber, Alois Vogt, kam nicht oder
nur vermittelt zu Wort. Schliesslich wurden in
beiden Fällen einzelne Vorgänge aus Vogts Re-
gierungsmitarbeit herausgehoben. Und auch diese
waren einseitig, allein aus deutschen Einschät-
zungen beziehungsweise der Patriotismuspflege
von Vogts Partei, der VU, zur Kenntnis gebracht.
cin Teil wurde fürs Ganze genommen, Legenden-
Jildung setzte ein. Der Wunsch nach eindeutigen
'dentifikationsfiguren, Übeltätern oder Helden, er
schwerte, ja verhinderte eine differenzierte Be-
trachtung. Letztere kann mittlerweile an Vogts um-
‘angreich festgehaltene Aussagen vor dem liechten-
steinischen Landgericht und der schweizerischen
Bundespolizei nach 1945 anknüpfen. Unter dem
Jruck informierter Vernehmungsbeamter war Vogt
um Rechtfertigung seiner Geheimkontakte bemüht,
zugleich aber genötigt, deren genauere Umstände
auszuführen. Seine protokollierten Erinnerungen
an einzelne Phasen der Kriegsdiplomatie ermögli-
chen aufgrund ihrer Detaillierung und Vergleich-
barkeit mit anderen Dokumenten ein genaueres
Bild der jeweiligen Vorgänge.
Was lässt sich zum Ablauf der Geheimdiplomatie
aussagen? In welchen Interessenlagen handelte
Vogt, welche Rücksichten wurden im Laufe des
<rieges massgebend? Eine Diplomatie der infor-
mellen, persönlichen Kontaktpflege im Deutschen
Reich war von Liechtensteins Regierungschef Dr.
Josef Hoop bereits in den Dreissigerjahren einge-
setzt worden. Aus einer Position der strukturellen
Schwäche heraus, bestimmt von prekärer Wirt-
schaftslage und dem Abstimmungsbedarf mit dem
Zollvertragspartner Schweiz, wurde um reichs-
deutsche Gunst geworben. Ein vertraulicher Gestus
der staatlichen Selbstverkleinerung, äusserliche
Anpassung und - mit Rücksicht auf die Schweiz —-
Zurückhaltung gegenüber institutionellen Bindun-
gen finden sich sowohl bei Regierungschef Hoop
als auch bei dessen Stellvertreter Vogt. Solches ist
nicht Beleg für konspirative Linien, sondern Aus-
druck einer liechtensteinischen Verlegenheit, das
grösstmögliche Verständnis des Mächtigeren mit
kleinstmöglicher Rückwirkung zu verbinden. Hoop
und Vogt behaupteten ihre freundlich-entgegen-
kommende Diplomatie im Deutschen Reich sowohl
im Inland wie gegenüber den schweizerischen
Behörden. Misstrauen begegnete ihnen auf bei-
den Seiten.*" Bei heiklen Absprachen mit Gestapo,
SD- oder VOMI-Beamten im Grenzraum traten
Hoop und Vogt gemeinsam in Aktion, der gegen
das Hitlerregime eingestellte Regierungsrat und
katholische Priester Anton Frommelt, Parteigänger
Hoops, blieb hierbei weitgehend unbeteiligt. Den-
noch exponierte sich Alois Vogt ungleich stärker als
Hoop, galt bei Gestapo, Auswärtigem Amt und
SS als «Vertrauensmann» und war ab 1941 bis
Kriegsende wohl der einzige Vertreter der Kolle-
gialregierung im Reichsgebiet jenseits Vorarlbergs.
N seiner Anpassungs- und Verständigungsbereit-
schaft ging der deutschnational geprägte Landes-
oolitiker weiter als sein konservativer Chef. Laut
den SD-Meldungen des Sommers und Herbstes
1940, zur Zeit der deutschen Siege im Westen, soll
Vogt an Anschlussbesprechungen interessiert ge-
wesen sein.
War für Vogt, anders als für Hoop, Liechten-
steins Eigenstaatlichkeit eine historisch erledigte
Kategorie? Die deutschen Quellen der Jahre 1940
und 1941 sind die einzigen, in denen Vogt Angliede-
rungsangebote explizit zugeschrieben werden. Bei
genauerer Analyse zeigt sich, dass Vogt im schma-
(en Horizont des Krieges mit einem absehbar
deutschbestimmten Kuropa rechnete. Er wog tak-
tierend verschiedene Loyalitäten ab und wurde
gerade in jenen Jahren, und vehementer als Regie-
rungschef Hoop, von unterschiedlichen Interessen-
ten beansprucht: von der VDBL, die den Anschluss
verfolgte, Vogt persönlich bedrängte und ihrer-
seits Verbindung mit Reichsstellen suchte; von den
schweizerischen Behörden in Bern, die das Lavie-
KU