Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

kKesümee: 
Zu Umständen und Interessen- 
lagen der reichsdeutschen 
Kontakte Alois Vogts 
Alliierte Untersuchungsbehörden sprachen von 
den Anstrengungen Dr. Vogts, Liechtenstein dem 
Jeutschen Reich einzuverleiben.*® Sie stützten ihr 
Jrteil auf Akten aus dem deutschen Dienstverkehr. 
Demgegenüber erklärte die Zeitung «Liechtenstei- 
ner Vaterland» kurz nach Kriegsende Alois Vogt 
mit Blick auf die Putschabwehr 1939 zum Retter 
des Landes vor einem drohenden Anschluss.“ 
Beide Beurteilungen hatten zweierlei gemeinsam: 
der Beurteilte selber, Alois Vogt, kam nicht oder 
nur vermittelt zu Wort. Schliesslich wurden in 
beiden Fällen einzelne Vorgänge aus Vogts Re- 
gierungsmitarbeit herausgehoben. Und auch diese 
waren einseitig, allein aus deutschen Einschät- 
zungen beziehungsweise der Patriotismuspflege 
von Vogts Partei, der VU, zur Kenntnis gebracht. 
cin Teil wurde fürs Ganze genommen, Legenden- 
Jildung setzte ein. Der Wunsch nach eindeutigen 
'dentifikationsfiguren, Übeltätern oder Helden, er 
schwerte, ja verhinderte eine differenzierte Be- 
trachtung. Letztere kann mittlerweile an Vogts um- 
‘angreich festgehaltene Aussagen vor dem liechten- 
steinischen Landgericht und der schweizerischen 
Bundespolizei nach 1945 anknüpfen. Unter dem 
Jruck informierter Vernehmungsbeamter war Vogt 
um Rechtfertigung seiner Geheimkontakte bemüht, 
zugleich aber genötigt, deren genauere Umstände 
auszuführen. Seine protokollierten Erinnerungen 
an einzelne Phasen der Kriegsdiplomatie ermögli- 
chen aufgrund ihrer Detaillierung und Vergleich- 
barkeit mit anderen Dokumenten ein genaueres 
Bild der jeweiligen Vorgänge. 
Was lässt sich zum Ablauf der Geheimdiplomatie 
aussagen? In welchen Interessenlagen handelte 
Vogt, welche Rücksichten wurden im Laufe des 
<rieges massgebend? Eine Diplomatie der infor- 
mellen, persönlichen Kontaktpflege im Deutschen 
Reich war von Liechtensteins Regierungschef Dr. 
Josef Hoop bereits in den Dreissigerjahren einge- 
setzt worden. Aus einer Position der strukturellen 
Schwäche heraus, bestimmt von prekärer Wirt- 
schaftslage und dem Abstimmungsbedarf mit dem 
Zollvertragspartner Schweiz, wurde um reichs- 
deutsche Gunst geworben. Ein vertraulicher Gestus 
der staatlichen Selbstverkleinerung, äusserliche 
Anpassung und - mit Rücksicht auf die Schweiz —- 
Zurückhaltung gegenüber institutionellen Bindun- 
gen finden sich sowohl bei Regierungschef Hoop 
als auch bei dessen Stellvertreter Vogt. Solches ist 
nicht Beleg für konspirative Linien, sondern Aus- 
druck einer liechtensteinischen Verlegenheit, das 
grösstmögliche Verständnis des Mächtigeren mit 
kleinstmöglicher Rückwirkung zu verbinden. Hoop 
und Vogt behaupteten ihre freundlich-entgegen- 
kommende Diplomatie im Deutschen Reich sowohl 
im Inland wie gegenüber den schweizerischen 
Behörden. Misstrauen begegnete ihnen auf bei- 
den Seiten.*" Bei heiklen Absprachen mit Gestapo, 
SD- oder VOMI-Beamten im Grenzraum traten 
Hoop und Vogt gemeinsam in Aktion, der gegen 
das Hitlerregime eingestellte Regierungsrat und 
katholische Priester Anton Frommelt, Parteigänger 
Hoops, blieb hierbei weitgehend unbeteiligt. Den- 
noch exponierte sich Alois Vogt ungleich stärker als 
Hoop, galt bei Gestapo, Auswärtigem Amt und 
SS als «Vertrauensmann» und war ab 1941 bis 
Kriegsende wohl der einzige Vertreter der Kolle- 
gialregierung im Reichsgebiet jenseits Vorarlbergs. 
N seiner Anpassungs- und Verständigungsbereit- 
schaft ging der deutschnational geprägte Landes- 
oolitiker weiter als sein konservativer Chef. Laut 
den SD-Meldungen des Sommers und Herbstes 
1940, zur Zeit der deutschen Siege im Westen, soll 
Vogt an Anschlussbesprechungen interessiert ge- 
wesen sein. 
War für Vogt, anders als für Hoop, Liechten- 
steins Eigenstaatlichkeit eine historisch erledigte 
Kategorie? Die deutschen Quellen der Jahre 1940 
und 1941 sind die einzigen, in denen Vogt Angliede- 
rungsangebote explizit zugeschrieben werden. Bei 
genauerer Analyse zeigt sich, dass Vogt im schma- 
(en Horizont des Krieges mit einem absehbar 
deutschbestimmten Kuropa rechnete. Er wog tak- 
tierend verschiedene Loyalitäten ab und wurde 
gerade in jenen Jahren, und vehementer als Regie- 
rungschef Hoop, von unterschiedlichen Interessen- 
ten beansprucht: von der VDBL, die den Anschluss 
verfolgte, Vogt persönlich bedrängte und ihrer- 
seits Verbindung mit Reichsstellen suchte; von den 
schweizerischen Behörden in Bern, die das Lavie- 
KU
	        

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