Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (98)

habe.* Aus den Gestapo- und SD-Meldungen wird 
arsichtlich, dass für die deutschen Stellen, insbe- 
sondere das RSHA, die Bereinigung der Angelegen- 
heit Blaschke «ausserordentlich eilig» war. Die 
Beziehung Blaschkes zum SD stand unter Geheim- 
haltung, auf seine Person bezogen sich die internen 
Korrespondenzen unter stereotyper Verwendung 
des Decknamens «Hacker(t)». Als eine Zusammen: 
arbeit mit den liechtensteinischen Behörden erfor- 
derlich wurde, sollte Blaschke als normaler Krimi- 
nalfall gelten; gegenüber dem Unterhändler Karl 
Kriener von der Gestapo Feldkirch unterstrich der 
SD-Führer Dauser: «Dr. Vogt soll nicht erfahren, 
was hinter der ganzen Angelegenheit steckt». 
Woher rührte die alarmierte Stimmung beim RSHA 
und die wiederholte Befürchtung, die Schweizer 
Behörden würden Rudolf Blaschke in Gewahrsam 
nehmen? In der ersten Meldung des Gestapokom 
missars Hübner wurde lapidar von der «Festnah- 
me des im Auftrage des Amt VI des RSHA tätigen 
Yans Hackert» gesprochen. Eine gute Woche spä- 
ter begab sich dessen «Geschäftspartner» Friedrich 
Schwend nach Feldkirch, ebenso der SS-Führer 
Groebl vom RSHA Amt VI (SD Ausland). 
Aufgrund der damaligen Korrespondenz und 
der nach dem Kriege erhobenen Auskünfte zu 
deutschen Geheimdienstunternehmen lässt sich 
die Dimension des Falschgeldfalles «Blaschke- 
Schwend» abschätzen. Friedrich Schwend war 
einer der erfolgreichsten deutschen Devisenver- 
treiber und -beschaffer im Dienste der SS, des 
Reichsfinanzministeriums und der militärischen 
Abwehr.*°* Sein Deckname war «Wendig» (sic!).*° 
Rudolf Blaschke war einer von Schwends Agenten. 
seit Sommer 1942 ging eine Spezialabteilung des 
Amtes VI daran, falsche Pfundnoten in grosser Auf- 
lage zu drucken.?°° Damit sollten einerseits das bri- 
tische Währungssystem gestört, andererseits Devi- 
sen zur Finanzierung eigener Geheimoperationen 
beschafft werden. Friedrich Schwend organisierte 
als logistischer Kopf des Unternehmens «Bern- 
hard» den Vertrieb in Europa. Der damals 27- 
jährige SS-Obersturmführer Wilhelm Groebl war 
Schwend vom Amt VI als «Führungsmann» zuge- 
ceilt.?9” Als der Pfundvertrieb Blaschkes in Liech- 
tenstein und der Schweiz aufflog, war auch Groebl 
beunruhigt und instruierte die lokalen Stellen. 
Huebner berichtete am 10. Dezember, dass Groebl 
mit ihm gesprochen habe: «Der Fall ist einer der 
delikatesten überhaupt. Ausser dem Reichsführer 
[Heinrich Himmler, d. Verf.] ist nur er [Wilhelm 
Groebl, d. Verf.] und ein SS-Führer der SD-Leit- 
stelle München orientiert. Selbst Dauser kennt die 
Zusammenhänge nicht.»*°® Allerdings deckte der 
SD noch weitere Verbindungen. In einem Bericht 
des Reichsfinanzministeriums wird zum Fall 
«Blaschke» nach Abschluss dem Auswärtigen Amt 
gemeldet: Blaschke sei Ende November 1942 in die 
Schweiz gereist, um unter anderem «einen Auftrag 
zu erledigen, der unmittelbar vom KReichswirt- 
schaftsministerium ausging und sich auf Devisen 
bezog.»*” Die SD-Führung in Berlin dürfte nach 
Bekanntwerden der «Panne» in Liechtenstein das 
grösste Interesse an einer Bereinigung in ihrem 
Sinne gehabt haben. Eine Auslieferung des Devi- 
senagenten an die Schweizer Behörden hätte das 
laufende Falschgeld-Unternehmen einschliesslich 
der damit betrauten Personen gefährdet. Diese 
Dimensionen des Falles Blaschke blieben den 
Liechtensteinern verborgen. Allerdings war auch 
ihnen, der Regierung und dem Landrichter Risch, 
klar, dass mit Blaschke kein gewöhnlicher Straf- 
:äter einsass. Alois Vogt erinnerte sich, dass Krie- 
1er bei seinen Vorsprachen immer andeutungswei- 
se geäussert habe: ««man glaubt bei uns», «man 
hofft bei uns>»».?!° Die Übergabe des ad hoc ausge- 
stellten Auslieferungsantrags gab Hoop und Vogt 
Anlass, die Rechtswege der Gestapo als vorge- 
schützte Formalie einzuschätzen und die Justiz für 
eine baldige Erledigung einzubinden. Schliesslich 
ıabe die Regierung Landrichter Risch um die Be- 
schleunigung der Untersuchung gebeten.“'! Indem 
zugleich der Schein der Legalität gewahrt wurde, 
suchten sich die Liechtensteiner gegenüber den 
Schweizer Behörden abzusichern. Alois Vogt habe 
bei der Lagebesprechung am 17. Dezember darauf 
hingewiesen, dass eine Kautionsstellung und ein 
Einvernahmeprotokoll von Schwend vorliegen 
sollten, «falls die Schweizer Akteneinsicht ver- 
langen würden».?!?
	        

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