Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

Mit der Forcierung des Strassenbaus im Vorarl- berger Rheintal stieg auch der Druck auf Liechten- stein. So bat das Vogteiamt in einem undatierten, aber sehr wahrscheinlich aus der Zeit um 1770 stammenden Schreiben das Oberamt um eine schleunige Erklärung, ob das Land Liechtenstein den Strassenbau beim Schmelzhof bald fortzuset- zen gedachte oder nicht.82 Das Oberamt schrieb am 22. März 1771, dass betreffend Strassenbau be- reits im vorigen Jahr ein Anfang gemacht worden war. Allerdings beklagten die Beamten die schlech- te Arbeitsdisziplin der Untertanen. Diese erschie- nen entweder zu spät oder gar nicht zur Arbeit, oder sie gingen auch zu früh wieder weg. Die Untertanen, so die oberamtliche Klage, hatten «Mähnen»83 und Zugtiere verkauft, nur um die Fuhrfronen für den Strassenbau nicht verrichten zu müssen. Dies brachte Unkosten mit sich, da die Wegmeister und Strassenaufseher von der Flerr- schaft bezahlt werden mussten, unabhängig davon, ob viel oder wenig gearbeitet wurde.84 Die Behör- den in Vaduz sahen sich deshalb gezwungen, als Disziplinierungsmassnahme eine Strassenbauord- nung zu erlassen. Diese Ordnung enthielt verschie- dene Vorschriften: So mussten Untertanen, die ihr Zugvieh verkauft hatten, sich innert drei Wochen Ersatztiere besorgen. Ansonsten wurden die für sie vorgesehenen Fuhrfronen an andere Untertanen weitergegeben, die man dann für diese Tätigkeit sogar bezahlte. Zum Strassenbau aufgebotene Un- tertanen hatten die Verpflichtung, pünktlich zum Arbeitseinsatz zu erscheinen. Bei Unpünktlichkeit mussten sie zugunsten des Gemeindesäckels eine Busse von drei Batzen85 bezahlen und ausserdem die versäumte Zeit wieder einholen. Triftige Grün- de für das Wegbleiben von der Arbeit mussten einem Geschworenen vorgebracht werden. Die ver- lorene Zeit war auch in diesem Fall einzuholen. Den Untertanen der Gemeinden Planken und Triesenberg86 wurden gewisse Erleichterungen ge- währt: Diese durften eine Stunde später zur Arbeit kommen und auch eine Stunde früher ihre Arbeit beenden. Streitereien unter den Arbeitern wurden streng verboten. Den Anweisungen der Aufseher und Wegmeister musste unbedingte Folge geleistet 
werden.S7 Ein Kontoauszug bestätigte am 4. No- vember 1771 den Baubeginn «auf der Landstrass» in Liechtenstein.88 Im folgenden Jahr waren allein aus Triesenberg 97 Arbeiter beim Strassenbau im Tal unten im Einsatz.89 Der Frondienst für den Strassenbau blieb in der Bevölkerung unbeliebt. Die Gemeinde Triesenberg muckte bereits im Juli 1772 auf. Ihre Gemeinde- angehörigen hatten offenbar ihre schuldige Arbeit für den Strassenbau nicht verrichtet. Die Triesen- berger erklärten, unter dem aufgestellten Platzmei- ster90 auch künftig keine Arbeit mehr verrichten zu wollen. Diese Weigerung der Gemeinde Triesen- berg muss im Kontext mit den landwirtschaftlichen Strukturen dieses Bergdorfes gesehen werden. Triesenberg, das am Rodverkehr keinen Anteil hat- te, betrieb in erster Linie Viehzucht und Alpwirt- schaft. Ein Zahlenbeispiel mag dies illustrieren: Noch im Jahre 1789 zählte man in Triesenberg 725 Rindvieher und 319 Schafe, aber keine Pferde und auch keine Zugochsen.91 Das Oberamt äusserte sich umgehend zum Protest der Gemeinde Triesen- berg: Diese «der Unterthans= Pflicht schnür stracks zuwider lauffende, ... gantz freche Eusserung wäre schon ansich Grund, wider Sie Gemeynd nach aller Schärffe fürzufahren, deren Ungehorsam annoch aus dem Grund sträflicher wird, weillen die schleu- nige Gestaltung der angefangenen Landt= Strassen erst bey den diesjährig= allgemeinen Creys= Con- vent unter Bedrohung des schärffsten Einsehens wider die Säumigen, auf das nachdrucksamste neuerlich beschlossen worden.» - Dieses oberamt- liche Zitat ist ein Hinweis darauf, wie ernst es den Behörden in Vaduz damals war, überregionale Ver- pflichtungen - wie ein Kreistagsbeschluss - einzu- halten.92 Die streikenden Triesenberger Strassen- arbeiter verstiessen nicht nur gegen lokale liech- tensteinische Interessen, sondern - was noch als schlimmer angesehen wurde - sie stellten vertragli- che Abmachungen in Frage, die Liechtenstein mit anderen Herrschaften vereinbart hatte. - In diesem Fall beliess es das Oberamt bei einer Verwarnung und der erneuten Aufforderung an die Gemeinde Triesenberg, künftig (wieder) Arbeiter für den Strassenbau zur Verfügung zu stellen.93 26
	        

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