Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1999) (97)

verursachen würde. Beim Bau von Wegen und Strassen sollte auf die Beschaffenheit des Terrains geachtet und nach Möglichkeit eine gerade Linien- führung angestrebt werden. Im Falle einer Stras- senerneuerung müsste zuerst überlegt werden, ob sich nicht ein besserer Platz für eine neue, beque- mere Route finden lassen würde. Die Arbeit für den Strassenbau dürfe sich, so die Hofkanzlei, durch- aus auf mehrere Jahre hinaus erstrecken, da die Untertanen durch diesen Frondienst nicht zu sehr belastet werden sollten.75 Der Aktenbestand des liechtensteinischen Lan- desarchivs beinhaltet eine Überschlagsrechnung von 1768 für die Errichtung eines Strassenab- schnitts im Raum Bregenz-Dornbirn. Da die dorti- gen Verhältnisse mit der Situation in Liechtenstein durchaus vergleichbar waren und ein Strassenbau im unteren Rheintal auch Auswirkungen im Ver- kehrswesen auf die gesamte Region hatte, ist es gerechtfertigt, diesem Rechnungsvorschlag ein besonderes Augenmerk zu schenken. Diese Über- schlagsrechnung enthält auch wertvolle Hinweise auf die damalige Arbeitsweise beim Strassenbau. Die neue Strasse sollte von der Aach-Brücke bei Bregenz über Lauterach nach Dornbirn führen. Der erste Streckenabschnitt bis Lauterach umfasste 730 Klafter, die zweite Teilstrecke beinhaltete 4 330 Klafter.76 Der hier besprochene Kostenvoranschlag bezieht sich nur auf das Teilstück von Lauterach bis nach Dornbirn. Insgesamt sollten sechzig Fronarbeiter täglich 20 Klafter der endgültigen Fahrbahn herstellen. Dies bedeutete, dass die ausgeebnete Fahrbahn nach 217 Arbeitstagen für die folgenden Arbeits- gänge bereit stehen konnte. Die neu errichtete Strasse musste vor der Verkiesung mit ungebunde- nen «Faschinen» überzogen werden, damit das Kies später nicht versinken konnte. Dieser Arbeits- vorgang kann so beschrieben werden: Zuerst wur- den an den Strassenrändern Holzpflöcke in den Boden gehauen. Darauf wurden Bündel aus Erlen- und Weidenholz, die sogenannten Faschinen, dar- über gelegt und mit Querhölzern verbunden. Die Beschaffung des Bauholzes war kein Problem, wuchsen diese Erlenstauden doch in grosser Zahl 
in den Rheinauen.77 Es wurde geschätzt, dass täg- lich 60 Strassenklafter mit Faschinen überzogen werden konnten. Ebenfalls 60 Strassenklafter soll- ten täglich bekiest werden. Die Strassenbelags- arbeiten (Überzug mit Faschinen, Beschotterung) dauerten folglich je 73 Tage, insgesamt aber nicht 146 Tage, da die Faschinierung und Bekiesung teil- weise gleichzeitig vorgenommen werden konnte. Die Herrschaft übernahm die Kosten für die In- spektoren- und Wegmeisterlöhne (1 031 fl. 45 kr.)78 sowie für den Unterhalt der Werkzeuge (100 fl.).79 Die Arbeit für den Strassenbau erfolgte auch hier als (unentgeltlicher) Frondienst durch die Unter- tanen. Die Bauarbeiten an der neuen Strasse, welche eine direkte Verbindung zwischen den Städten Dornbirn und Bregenz herstellte, schritten offenbar schnell voran. Es war das Ziel der österreichischen Obrigkeit, die wirtschaftliche Stellung von Bregenz auf Kosten der alten Verkehrssiedlung Fussach zu heben.80 Von Feldkirch bis zur liechtensteinischen Grenze erfolgte der Ausbau der Transitroute in den Jahren 1768 bis 1771.81 75) LLA RA 6/11/1: Reskript der HKW vom 31. Dezember 1750. 76) LLA RA 6/11/5-6: Kostenvoranschlag von Oberwegmeister Andreas Eberle; 8. August 1768. 77) Vogt, Brücken zur Vergangenheit, S. 241. 78) LLA RA 6/11/5-6: 217 tägliche Lohnauszahlungen für: Strassen- inspektor (1 fl.), Wegmeister (1 fl. 30 kr.), Unterwegmeister (1 fl. ), Polier (45 kr.) - das machte zusammen 217 mal 4 fl. 15 kr. = 922 fl. 15 kr.: für die Faschinierung und Bekiesung musste ebenfalls je ein Aufseher mit 45 kr. täglich entlöhnt werden: das ergab nochmals 109 fl. 30 kr. (922 fl. 15 kr. + 109 fl. 30 kr. = 1031 fl. 45 kr.). 79) Ebenda. Für dieses Strassenbauprojekt benötigte man folgende Werkzeuge: 20 Spaten, zwölf Pickel, 30 Schaufeln, 25 Schubkarren, drei Radler, 200 Klafter Schnur, sechs Gabeln, ein Hand-Beuel, ein Wasser-Butte, zwei Eisenrechen, ein Eisenschlegel, sechs Ziehbän- der, zwei Äxte und zwölf Dielen (Bretter). 80) Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. IV, S. 255. Bereits 1768 erklärte das Oberamt Bregenz die alte Fussacher Rheinstrasse «als nicht mehr existierend». Doch der dadurch erhoffte Aufschwung blieb teilweise aus; zumindest der von Lindau ausgehende Waren- verkehr ging nun nicht mehr über Österreich, sondern via Rheineck auf der Schweizer Seite in Richtung Süden durch. 81) Lins, Geschichte Tisis, S. 12 u. 257. 24
	        

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