Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

Nur an einigen wenigen Stellen ist eine ablehnende Grundhaltung gegenüber dem Hexenwesen und den Hexenprozessen deutlicher zu erkennen. Dazu zählt etwa die 
Feststellung: Es bezaigt auch die tagliche erfahrung, daß der mehrer thail des volclcs, sonderlich der gemeine pöpel, welcher sei- nes thun und lassens wenig gegründet, da ihme dergleichen begegnet, sein Schwachheit vil ehun- der denn bösen leüthen, als der natur oder seinen selbst übelthatten zueleget, wie dan die gemaine red täglich in schwung gehet, daß die leith vermai- nen, es seye ihnen gethan worden, sye wolten dar- auf sterben, dise oder yene person hette es get- han?9'' Mehrfach zitierten Peter Putzer und Otto Seger auch den Satz: «Nichts ist so grausam, als den Menschen, das Ebenbild Gottes, auf der Folter zu misshandeln und gleichsam zu zerfleischen».358 Paul Vogt bezeichnete die Argumentationen Dr. Mosers als «für die damalige Zeit sehr fortschritt- lich», weil sie sich eben auf keine theologische Grundsatzfragen einliess und nur nach der Ver- nunft urteilte, wunderte sich aber, dass Moser ungefähr zur gleichen Zeit, als er das Rechtsgut- achten für Vaduz abfasste, bei einem weiteren He- xenprozess, in dem er wohl andere Interessen zu vertreten hatte, für einen Schuldspruch plädierte.399 Das war jedoch nicht untypisch für viele Verfol- gungsgegner, die von den Befürwortern nach dem Vorbild Macchiavellis verächtlich als «politici» be- zeichnet wurden. Man hielt diesen vor, dass bei ihnen der Nutzen über der Gerechtigkeit stehe und dass sie Laster sowie Irrtümer guthiessen, wenn diese der Herrschaft dienten.400 Idealtypisch lässt sich der Gegensatz zwischen den Haltungen der beiden Juristen Dr. Welz und Dr. Moser mit den beiden Kategorien des wertrationa- len und des zweckrationalen Handelns im Sinne Max Webers charakterisieren. Letzteres ist durch «eine Abwägung zwischen Zwecken, Mitteln und Nebenfolgen» bestimmt, die wertrationale Einstel- lung orientiert sich mehr oder weniger bedin- gungslos am Eigenwert eines glaubensmässig vor- gegeben Inhalts.401 
PROZESSANLEITUNGEN VON DR. WELZ IM JAHRE 1679 Im ersten Rechtsgutachten vom 2. März 1679 legte Dr. Thomas Welz dem Vaduzer Gericht allgemein dar, welche Voraussetzungen für die Einleitung von Flexenprozessen erfüllt sein mussten.402 Das Flauptproblem bei Delikten wie dem Ehe- bruch, der Sodomie und eben der Hexerei bildete seiner Meinung nach die Tatsache, dass deren Wahrnehmung meistentheils ex levibus indicijs [geringen 
Anzeichen] ihren anfang und Ursprung zunehmen pflegte. Deshalb war es für den Richter von grösster Bedeutung, diese entsprechenden In- dizien richtig einzuschätzen. An erster Stelle führte Dr. Thomas Welz dabei die Beurteilung von Denunziationen durch gefan- gene und gefolterte Delinquenten an. Dabei stellte er zwei grundlegend verschiedene Positionen vor. Die eine ging im Gefolge von Dr. Johann Weyer (1515-1588) davon aus, dass man Denunziationen bei Hexenprozessen gar keinen Glauben schenken dürfe. Die Delinquenten versuchten nämlich häu- fig, ehrliche und gute Personen mit ins Unheil zu ziehen. Die Vertreter dieser Auffassung hielten sich freilich an den Grundsatz, dass es besser sei, zehn Schuldige freizulassen als einen Unschuldigen zu strafen. 
Sie wollen lieber, daß das ein: oder andere denuncirte schuldige unkraut biß zur erndzeit lebe und aufrecht bleibe, alß daß auch darunter der ohnschuldige weizen leiden und in gefahr stehen müsste. Da man laut Dr. Welz auch alle anderen Gerichte abschaffen müsste, wenn man gelegentliche Fehl- urteile grundsätzlich verhindern möchte, vertrete ein anderer Teil der Juristen, zu dem auch er zähl- te, die Meinung, dass man die denunzierten Perso- nen sehr wohl fangen und foltern dürfe. Dabei waren jedoch drei verschiedene Auffassungen zu unterscheiden. Die erste Gruppe von Juristen glaubte, dass eine einzige Denunziation schon zur Verhaftung eines Verdächtigten ausreiche. Nach Meinung einer zwei- ten Gruppe waren dazu die 
Aussagen vieler und verschiedener hexen erforderlich. Der Richter hat- 84
	        

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