Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (96)

WEITERES HEXENTREIBEN IN DEN JAHREN NACH DEM ENDE DER PROZESSE Es war nicht zu erwarten, dass die politischen Schwierigkeiten im Gefolge der Hexenprozesse und deren juristische Ungültigkeitserklärung grundle- gende Veränderungen in den Beziehungen zwi- schen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen und in ihrer Einstellung zum Hexenwesen bewirkten. Die Situation blieb weiterhin verfahren. Nach Aus- sage Andreas Reinbergers waren in Vaduz Ende 1681 mehr per söhnen verschreit, als es Haushal- tungen gab. Nicht mehr als zwei oder drei Häuser im Vaduzer Oberdorf und nur etwa ein Drittel aller anderen Haushalte im Dorf seien frei vom Hexerei- verdacht. Wenn es so weitergehe wie bislang, khumme nit mehr der dritel darvon.230 Obwohl die Hexenprozesse keine Fortsetzung mehr fanden, blieben die alten Denk- und Wahrnehmungsmuster weiterhin wirksam. Dazu gehörte, dass sogar Leute, welche die Mühlen der Hexenprozesse mit einem Freispruch überlebt hatten, vom Grossteil der Bevölkerung keineswegs als unschuldig angesehen wurden. Das galt selbst dann, wenn ihre Unschuld durch ein päpstliches Dokument bestätigt wurde. Der Schaa- ner Kaplan Gerold Hartmann konnte nach einem langjährigen Verfahren wegen Zaubereiverdachts trotz seiner offiziellen Rehabilitierung nicht mehr auf seine Kaplaneipfründe zurückkehren. Der Schaaner Pfarrer Hans Öhre erklärte in einem Brief an den kaiserlichen Kommissar vom 17. Septem- ber 1682, «es sei sehr zweifelhaft, ob seine Gegner den Entscheidungen Roms gehorchen werden. Die Pfarreiangehörigen seien vom Landvogt aufgefor- dert worden, sich der Wiedereinstellung zu wider- setzen, vier Soldaten bewachten ständig das Haus des Kaplans und hätten Auftrag, ihn vom Betreten der Kirche abzuhalten, wenn er erscheine. Der Landvogt habe erklärt, er kümmere sich nicht um den Bischof oder den Papst und auch nicht um die Exkommunikation. Und wenn der Graf wegen Gerold Hartmann exkommuniziert werde, dann werde er ihn töten. Einem reichsfreien Grafen kön- ne auch der Kaiser nicht widersprechen und ihn 
nicht hindern. Gerold Hartmann sei und bleibe ein Hexenmeister. Pfarrer Öhre berichtet weiter, dass der Landammann das Volk aufgehetzt habe, so dass es glaubt, die Entscheidungen aus Rom seien erschlichen und erschwindelt. Zum Schlüsse be- klagt der Pfarrer die Verhältnisse im Lande, am meisten aber in seiner Pfarrei, und erklärt sich ausserstande, die Wiedereinsetzung von Kaplan Hartmann zu erreichen.»231 Im November 1686 gab dieser schliesslich seine Schaaner Pfründe auf, die er seit 1671 innegehabt hatte.232 Noch viel weniger akzeptierten zahlreiche Leute die Unschuld derjenigen Personen, die gar nie frei- gesprochen worden waren, sondern nur aufgrund der geänderten politischen Lage nicht mehr ge- richtlich verfolgt werden konnten. Bei einem Streit zwischen Hans Kaufmann vom Triesenberg und Georg Beck im Frühjahr 1684 scheute sich letzterer nicht, gegenüber dem Grafen zu erklären, er solle ihm beistehen und 
es nemme ihme wunder, das er disem Kauffmann, der doch ain hexenmaister seye, so vil glaube. Bei der folgenden Verleumdungskla- ge führte Georg Beck die häufig verwendete Ent- schuldigung an, er habe den Kläger nur bedin- gungsweise - also in Form einer Retorsion233 - ei- nen Hexenmeister gescholten, und 
zwar wann er, der Kauffmann, ihme sein gueth anspreche. Aus- serdem habe Kaufmann behauptet, dass Becks Va- ter im dobel size.234 Hier begegnet man zum ersten Mal der Bezeichnung von Hexenverfolgern als «To- belhocker». Das Muster von bedingungsweisen oder retorsi- ven Hexereibeschimpfungen, die leicht zu Beschul- digungen werden konnten, veranschaulicht ein Vorfall, der von Lena Lampartin aus Schaan aus- gelöst wurde. Deren Ehemann Hans Beck, dessen erste Ehefrau und etliche seiner Kinder waren ver- brannt worden; über die Lampartin hatte die Ob- rigkeit 1680 inquiriert. Im Jahre 1684 bezichtigte nun Lena Lampartin die Töchter Jörg Conrads und des Färbers Christoph (Stoffel) Quaderer, sie hätten in Adam Maiers Haus so gesoffen, dass sie hinten und vorne «gehustet» 
(oder gekherzet) hätten. Dar- auf erklärten die beiden Frauen, die in ihrer Ehre verletzt worden waren, beim 
Dorfbrunnen, were 40
	        

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