SIEDLUNGS- UND BAUFORMEN DER LIECHTEN- STEINER WALSER / THOMAS ZWIEFELHOFER Küchen- und Speicherten vom vorderen Wohnteil mit einer Gangzone getrennt (Abb. 18). Um steigende Platzbedürfnisse (nach längerer Besiedlung und Etablierung der lebenswichtigsten Einrichtungen) zu befriedigen, ging die Entwick- lung in zwei Richtungen. Während die eine eine Er- weiterung in die Höhe erfährt und so zu einer ver- tikalen Raumordnung gelangt, geht die häufiger zu beobachtende Entwicklung in die Breite, es ent- steht eine horizontale Raumordnung. Bei der vertikalen Raumordnung enthält im Prinzip jedes Geschoss nur einen Raum, so dass mehrgeschossige, turmartige Bauten entstehen, die ohne weiteres neun bis zehn Meter erreichen kön- nen. Solche Bauten kennt man vor allem im Tessin, in den Walsergebieten kommen sie eher selten vor oder sind Zeugen romanischer Besiedlung vor der walserischen Einwanderung. Die horizontale Raumordnung hingegen vereinigt die Räume, min- destens Küche und Stube, auf derselben Ebene und hinter- oder nebeneinander, wie es bereits im erwähnten jungsteinzeitlichen Wohnhaus der Fall ist (Abb. 15, 18 und 22). Das minimale Raumangebot dieser Grundfor- men genügte bald nicht mehr. Die Bauten der verti- kalen Raumordnung wurden horizontal erweitert, d. h. ihre Grundfläche wurde grösser durch Ver- doppelung oder Anbauten. Bauten mit horizontaler Raumordnung erhöhte man um zusätzliche Ge- schosse. Diese einfachere Erweiterungsmöglichkeit begünstigte die Verbreitung der horizontalen Ord- nung, die dabei eine grosse Formenvielfalt ent- wickelte. Während bei Bauten in steilen Lagen die Vergrösserung meist in die Breite ging, finden sich im Talraum eher Verlängerungen oder quergestell- te Anbauten zum ursprünglichen Kernbau. Grundsätzlich lässt sich die horizontale Raum- ordnung in zwei Gruppen aufteilen, die zweiraum- tiefen und die dreiraumtiefen Bauten. Beide sind im gesamten Walsergebiet verbreitet, aber durch das Anbauen von Stall- oder anderen Wirtschafts- bauten an die zweiraumtiefen Typen lässt sich oft nur schwer ablesen, ob es sich um einen ursprüng- lich dreiraumtiefen Typ oder einen erweiterten zweiraumtiefen Typ handelt. Gute Beispiele dieser
Problematik sind das auf Abbildung 16 gezeigte Haus des Weilers Hinder-Prufatscheng und das Haus Nr. 5 auf Üenaboda (Abb. 17), bei dem der hinten angefügte Wirtschaftsteil erst später dazu- gekommen sein dürfte. Ob ursprünglich zweiraum- tiefes oder dreiraumtiefes Haus würde sich beim ersteren wohl nur bei detaillierter Untersuchung 21) Zinsli (1986), S. 102. •PS S-*-™.- Abb. 16: Haus auf Hinder- Prufatscheng, Triesenberg
Abb. 17: Haus Nr. 5, Üenaboda, Triesenberg 231