Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

der Waffensammlung des Kunsthistorischen Mu- seums in Wien, Dr. Leopold Ruprecht48, der angeb- lich über beste Beziehungen zu Hitler selbst verfüg- te. Dieser verstand sofort meine Sorgen und mein- te, er sei überzeugt, wenn man sich diesbezüglich direkt an Hitler wende, sei die Sache zu machen. Die Leute um Schirach hätten doch nur die klein- liche Sorge, altes Kunstgut könne Österreich verlas- sen, und würden unsere Bestrebungen immer hin- dern. Eine Behandlung durch den Wiener Gauleiter Schirach sei nur zeitraubend, der Fürst könne das nur über das Auswärtige Amt erledigen lassen. Am 31. Mai erstattete ich dem Fürsten Bericht über diesen ganzen Komplex, wobei ich riet, den von Ruprecht vorgeschlagenen Weg zu versuchen. Vom 1. bis 5. Juni war ich in Altaussee und be- suchte die riesigen Depots in den Salzbergwerken, sicher der grösste Schatz der Weltgeschichte, der je an einem Ort beisammen war. Näheres hierüber erübrigt sich, da es in dem Büchlein von Pöchmül- ler, «Weltkunstschätze in Gefahr» nachzulesen ist. Wo es anging, zog ich Erkundigungen ein, über Erfahrungen im Salzbergwerk, jede lautete anders, niemand wusste etwas Positives. Dr. Gert Adriani4y vom Kunsthistorischen Museum meinte, man kön- ne Graphiken dort nicht unterbringen, Dr. Kall- brunner wieder hatte erfahren, die Salzbergwerke seien für Archivalien gut geeignet, nicht aber für Bilder, besonders skeptisch äusserte sich Dr. Al- phons Lhotsky50 vom Kunsthistorischen Museum. Inzwischen war die kriegerische Situation be- reits so verzweifelt geworden, dass ich umgehend daran gehen musste, die in Mähren gelegenen Schlösser Feldsberg und Eisgrub zu räumen. Diese beiden Schlösser lagen so weit östlich, dass sie bei einem Fortschreiten der russischen Offensive (und wer sollte diese stoppen?) bald direkt gefährdet sein würden. Man könnte immerhin hier einwen- den, dass es von Anfang an verfehlt war, dort Depots einzurichten, dem gegenüber muss aber darauf hingewiesen werden, dass, als ich Felds- berg und Eisgrub als Depots einrichtete, sie ledig- lich Schutz vor Fliegerangriffen auf Wien gewähren sollten. Russland war damals noch eine mit Deutschland befreundete Macht. 
Das ganze umfangreiche Kunstgut musste nun wieder von dort weggebracht werden. Hierbei be- sonders erschwerend war die Knappheit von Ben- zin und Eisenbahnwaggons. Die Hauptsorge galt den grossformatigen Bildern, für die mir Dr. Dwor- schak nun ein sicheres Depot im Stift Klosterneu- burg bei Wien zur Verfügung stellte. Der Raum war etwas feucht und wurde im Juni adaptiert. Wieder begann der endlose Kampf um einen für diesen Transport geeigneten Wagen, und es gelang schliesslich, doch einen Kulissenwagen der Staats- theater, der besonders fest gebaut war, aufzutrei- ben. Immerhin wurde es Anfang Oktober, bis die Sache so weit war. Vom 3. bis zum 5. Oktober brachte ich aus Feldsberg und Eisgrub die grossen Rubensbilder nach Klosterneuburg, dem Transport schloss ich noch mehrere grosse Bilder aus Felds- berg an, so dass insgesamt damals 25 Bilder im Stift deponiert werden konnten. Ein neuerlicher Versuch, das Schloss Warten- stein in Niederösterreich, das inzwischen von der Hitler-Jugend beschlagnahmt worden war, als Aus- weichdepot zu bekommen, scheiterte. Ende Juni kam der Fürst nach Wien und ich konnte am 28. Juni über den Stand der Bergungen Bericht er- statten. Am gleichen Tag war er zum Essen bei Reichsleiter von Schirach, und dort wurde die Fra- ge eines Transportes des gesamten Kunstgutes nach Liechtenstein besprochen. Abends teilte mir der Fürst noch mit, dass Baidur von Schirach die- sem Plan seine Zustimmung gegeben habe. Nun schienen alle Sorgen und Schwierigkeiten schlagar- tig beseitigt. Schirach hatte vorgeschlagen, ich solle mich sofort mit den Herren des Denkmalamtes (Dr. Seiberl), der staatlichen Bergung (Baron von Berg) und des Kunsthistorischen Museums (Dr. Adriani) wegen des Abtransportes der Sammlungen nach Vaduz ins Einvernehmen setzen. Am 1. Juli war ich mit Adriani beim Fürsten (die anderen Herren waren nicht gekommen), und wir sprachen den Transport nach Liechtenstein durch. Bald kam aber die Enttäuschung. Schon zwei Tage später teilte mir Dr. Seiberl auf meine Rückfrage mit, er habe noch keinen diesbezüglichen Auftrag von Herrn von Schirach, er persönlich sei aber über- 20
	        

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