Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1998) (95)

EIN BLICK AUS DEM FENSTER ELISABETH CASTELLANI ZAHIR Richtigkeit der im März beschlossenen und teils be- reits begonnenen Baumassnahmen eindeutig, die Alois Gstrein auf einer Zeichnung vom 12. März 1906 festgehalten hatte (Abb. 6): Es handelte sich nämlich dabei um den Verzicht auf eine turmartige Ausgestaltung des baufälligen Saalbaues15, so wie es 1905 noch vorgesehen war (Abb. 5 und 8), zu- gunsten einer einstöckigen Lösung mit angewalm- tem Satteldach, sowie um die Rekonstruktion von 16 Zinnen und «Auslugtürmchen» beim benach- barten Kapellenbau.16 Alte Zinnen waren am Bau- bestand hier innen und aussen tatsächlich noch ab- lesbar gewesen (Abb. 9 und 10) und man machte sich eifrig an den Rückbau, der bis Mitte 1907 auch durchgeführt wurde (Abb. 7 und 9).17 Gleichzeitig wurde der ebenfalls noch original im Mauerver- band vorhandene innere Zinnenkranz des Saalbau- es gegen die Hofseite - auf dem Hohenemserbild natürlich nicht sichtbar - freigelegt und ist bis heu- te gewahrt (Abb. 10). Auch 
der nach Bekanntwer- dung der historischen Schlossansicht im Juli 1906 neu beschlossenen Gotisierung der Fenster im Ka- pellentrakt - im Protokoll heisst es deutlich «Die Fenster in dem Saale des Kapellenbaues sind go- thisch auszuführen»18 - spicht das grosse nachmit- telalterliche Rundbogenfenster auf dem Gemälde (Abb. 3) Hohn. Ein Vergleich mit dem vorhandenen Baubestand auf der Fotografie von 1880 (Abb. 4), wo eben dieses gerundete Renaissancefenster zu sehen ist, bestätigt die ältere Abbildung aus dem 17. Jahrhundert. In diesem Falle widersprechen sowohl Bildquellen wie Baubefund der reiner Phantasie entsprungenen Detailgestaltung, die sich lediglich auf das allgemeine Wissen gründete, dass es diesen ältesten Burgteil schon in gotischen Zei- ten gegeben hatte. Gab es überhaupt etwas, das von den bis anhin durchgeführten Baumassnahmen «in erfreulicher Weise bestätigt» wurde? Nun, belegt werden konn- te durch die Hohenemser Bildquelle die Richtigkeit des schon 1905 durchgeführten Aufbaus des Berg- frieds was Proportionen, Höhe sowie Zinnenkranz und Zeltdachbekrönung betraf.19 Die im Gemälde angedeutete Gartenanlage mit Umfassungsmauern im Südbereich der Burg gab vielleicht die Anre-gung 
dazu, sie in das Wiederherstellungspro- gramm von Schloss Vaduz aufzunehmen. Der Gar- ten wurde dann tatsächlich noch 1915/16 rekon- struiert und besteht bis heute.20 Über die restliche Gestalt von Schloss Vaduz zu Ende des 17. Jahrhunderts gibt die Bildquelle, da sie nur die Südseite zeigt, keine Auskunft. So blei- ben viele Fragen notgedrungen unbeantwortet, so z.B. auch die Existenz einer Zugbrücke, um nur eine der umstrittensten, aber 1911 dennoch durch- geführten Rekonstruktionsmassnahmen zu nen- nen.21 Dass für Schloss Vaduz 1904 durchaus der Anspruch auf ein wissenschaftliches, den moder- nen denkmalpflegerischen Grundsätzen entspre- chendes und durch historische Quellen belegbares Wiederherstellungskonzept bestand, haben wir in unserer Untersuchung nachweisen können, und 11) Fischbach 1994, S. 318. 12) Siehe den Stand der Umbauarbeiten für 1906 mit genauen Quellenangaben bei: Castellani 1993 I, S. 149-162. 13) HALV, Schlossbau, Protokoll 9. Juli 1906. 14) Zu den Kommissionsmitgliedern siehe Castellani 1993 1, S. 117-134. 15) Der Saalbau wurde wegen Baufälligkeit schon im 18. Jahrhun- dert um sein oberstes Geschoss abgetragen und mit einem flachen Pultdach versehen: siehe Wieser 1920, S. 72; Castellani 1993 I, S. 28-34. 16) Zum Kapellenbau siehe auch Castellani 1993 I, S. 28. Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte der Schlosskapelle St. Anna in Vaduz erbrachte dann eine archäologische Notgrabung im April und im Mai 1995 (vgl. hierzu den Jahresbericht 1995 der Archäologie Liechtenstein). 17) Castellani 1993 I, Abb. 198. 18) Protokoll 9. Juli 1906 (siehe Anm. 12), Punkt 5. - Siehe Castellani 1993 I, Abb. 178 u. 179. 19) Zum Umbaujahr 1905 siehe Castellani 1993 I, S. 135-146. 20) Castellani 1993 I, S. 307-309. 21) Zur Brückendiskussion siehe Castellani 1993 I, S. 29 f., S. 249 f., 257-259 sowie Abb. 32 mit der von Egon Rheinberger zeichnerisch imaginierten Brücke. 129
	        

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