Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

WIE ES FRÜHER WAR... Ich, Mathilde, wurde geboren am 22. Jänner 1893 als zweites von sieben Kindern des Andreas Hassler und der Karoline Näscher, Haus Nr. 42, Hinterschellenberg, bei der St. Georgskapelle. Es war damals nicht schöner als heute, nur an- ders. Wir hatten gute, liebe Eltern, und meine Ge- schwister heissen - oder es leben ja noch fünf da- von (Jänner 1966) - Katharina die älteste, jetzt 75 Jahre alt, dann ich 73, Georg 70 Jahre, Felix 67 und Agnes, die seit 40 Jahren in Kanada wohnt, 60 Jahre alt. Zwei Geschwister starben, Heinrich vierjährig und Monika vier Monate alt, im Zeitraum von vier Wochen - ich glaube - an 
der Halsbräune, wie man früher sagte; ich weiss nur noch, dass Vater und Mama verzweifeln wollten. Es gab ja damals noch wenig Ärzte. Der nächste war Dr. Batliner von Mauren in Feldkirch oder Dr. Brunhart in Schaan, und diese mussten ja zu Fuss kommen, oder bessere Leute holten den Arzt mit einer Pferdekut- sche; aber erstens gehörten wir nicht zu den Besse- ren und zweitens, wo sollte man auf Schellenberg eine Pferdekutsche hernehmen. Das Leben geht weiter. Wir mussten schon früh ins Riet 
zum Grundbirnen und Türken stecken. Va- ter hat den Boden von Hand mit der Stechschaufel umgegraben, es ging ja im Schellenberger Riet gut, es ist meistens leichter Torfboden. Erdäpfel stecken ging gut; Vater 
machte gehörige Löcher, und wir ta- ten Mist hinein - von Hand. Wir durften nie eine Gabel nehmen oder 
eine Trienze, wie man einer Mistgabel sagte. Vater meinte, es müsse gleichmäs- sig Mist in die Löcher, und das gehe am besten von Hand. Kathrile und ich machten das nicht gern. Wenn es warm und föhnig war, bekam man ganz dreckige und trockene Hände, aber Vater und die Buben haben sich nicht einmal 
zum zBrenn essen gewaschen. Wir gingen dann schon in einen Gra- ben hinab, um die Hände zu waschen; aber es war oft nur wenig Wasser drin, und das war 
noch gru- sig und dreckig, 
und Krotten und 
Frösche gumpten drin herum. Dann mussten wir die Erdäpfel legen, schön in der Reihe, und Vater und Mama machten 
zu mit viel Erde, denn weil sie leicht war, hat es bei Föhn wieder viel fortgeweht, und wenn der Föhn ging, wurde man voll Staub über und über. Natür- lich waren wir immer barfuss, haben nie daran ge- dacht, dass man am Werktag Schuhe haben sollte. Beim Türkenstecken ging es schon exakter her. Da mussten extra grosse Löcher gemacht werden, viel Mist hinein, und dieser musste mit den Füssen festgestampft werden. Dann gab man etwas Erde auf den Mist, und jetzt wurden die Türkenkörner gelegt, die extra von grossen, schönen und vor allem reifen Kolben genommen wurden. Es wurden etwa acht bis zehn Körner im Kreise herum und eines in der Mitte gelegt, dann kam wieder Erde darauf, ziemlich viel, und Vater und Mama haben wieder festgestampft, weil sie Schuhe anhatten. Es musste so festgestampft werden, weil es im Riet vie- le Raben hatte, und wenn der Boden nicht fest war, so rupften 
die Keiben ganze Plätze von Türkensetz- lingen aus. Die Raben waren so frech. Sie haben uns oft 
die zBrenntasche ausgeraubt, Brot und sau- ren Käs, und wir hatten auch noch Most. Hie und da brachte uns Mama 
zum zMittag Küchle, sogenannte «Pümperle». Diese waren so wie Berliner Pfannku- chen, nur Konfitüre war keine drin; sie waren aber dennoch gut. Kaffee kochte man meistens selbst im Riet. Vater machte aus drei Steinen einen Herd. Man gab eine passende Pfanne darauf. Das Wasser wurde am nahen Berg geholt, aus dem Stieraloch, das war dann schön kühles und sauberes Wasser, aber bis wir daraus Kaffee hatten, war oft noch an- deres Pulver als nur Kaffee drin. Dazu gab es oft kalten Riebel. Den tat man in die Tasse und heissen Kaffee dran, und 
der zMittag war fertig. Den Herd hat immer der Vater angefeuert, er konnte es am besten. Er machte 
einige Holz- spiesse, und wir holten 
trockene Turben irgendwo- her, wenn unsere nicht gerade in der Nähe waren, und in kurzer Zeit war eine schöne Glut in unserem Herd, und es hat dann so gut gerochen nach Kaffee und Turben. Zucker in den Kaffee gab es nicht. Zucker bekamen nur die Stubenfliegen, denn sol- che gab es massenhaft. In allen Häusern hatte man ein Fliegenglas, wie man sagte. Da war Seifenwasser drin und unten 360
	        

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