Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

DER KAISERLICHE NOTAR JOHANNES DIEPRECHT VON BENDERN (t 1468)/KARL HEINZ BURMEISTER verunglückte lateinische Transkription des griechi- schen Wortes «ta anagrapta» («das Eingeschriebe- ne»); denn der Notar pflegte ein Kurzregest seines Instrumentes in das Imbreviaturbuch einzutragen, um bei Zweifeln über die Echtheit einer Urkunde vor Gericht eine Fälschung aufdecken zu können. Die Umschrift misslang Dieprecht jedoch, da das damals gesprochene Griechisch ebenso wie das heutige Griechisch den Buchstaben «G» nicht kennt; will man im Griechischen ein «G» wiederge- ben, so wählt man dafür die Buchstabenverbin- dung «NK» bzw. - latinisiert - «NC». Und so umschrieb Dieprecht das griechische Wort «ana- grapta» als «anancrapta», wobei ihm ein zweiter Fehler unterlief: aus dem «r» wurde ein «z». Ähn- lich missglückte auch 1480 dem Notar Johannes Erlewin aus Heilbronn die Aufnahme eines griechi- schen Wortes in ein Notarssignet: für das griechi- sche «gnothi seauton» wählte er die verfehlte latei- nische Transkription «gnothosolithos»16. Beides ist darauf zurückzuführen, dass sich nach der Erobe- rung Konstantinopels durch die Türken (1453) zwar eine grosse Begeisterung für die griechische Sprache und Kultur in Westeuropa ausbreitete, dass aber vorerst die Lehrer und die Lehrbücher fehlten, um sich sichere Kenntnisse des Griechi- schen anzueignen; erst der Humanismus schaffte dann diesen Durchbruch. Und so war auch bei Die- precht trotz aller Begeisterung für das Griechische dessen Kenntnis nur höchst rudimentär. Immerhin ist die Wahl eines griechischen Wortes für ein No- tarssignet als ein frühes Bekenntnis zum Humanis- mus zu werten, in dessen Bestrebungen er nicht nur in Heidelberg, sondern vor allem wohl in Rom Einblick erhalten hatte. Denn am Ende seiner akademischen, geistlichen und beruflichen Ausbildung begab sich Dieprecht auf eine Reise oder Wallfahrt nach Rom, wie es vielfach üblich gewesen war. Dabei mag auch die Aussicht auf eine Pfründe mitgespielt haben. Tatsächlich lassen sich solche Bemühungen um eine Pfründe in Rom für Johannes Dieprecht um 1463 und 1464 nachweisen. Am 15. Dezember 1463 meldete Johannes Dieprecht, «clericus Cu- riensis diocesis» (Kleriker des Churer Bistums) in 
Rom sein Interesse an für die Pfarrkirche St. Mar- tin in Eschen, die nach der Amtsenthebung des Jo- hannes Mercklin, eines Anhängers des Erzherzogs Sigismund von Tirol, frei geworden war. Und am 9. Januar 1464 verpflichtete er sich zur Zahlung der Annaten, d.h. der Einnahmen für das erste Jahr aus dieser Pfründe in der Höhe von acht Mark Silber17. Wenn man davon ausgeht, dass der Be- werbung Dieprechts entsprochen wurde (was nicht unzweifelhaft feststeht), so hatte er als Pfarrer der St. Martinskirche in Eschen seit Januar 1464 eine Lebensstellung erreicht. Um seine Einnahmen aus der Pfarrpfründe et- was zu ergänzen, übte Johannes Dieprecht weiter- hin auch nebenher den Beruf eines Notars aus. Wir besitzen dafür freilich nur einen einzigen urkundli- chen Beleg, nämlich das schon mehrfach zitierte Instrument vom 28. September 1465. Dieprecht reiste damals in das benachbarte Dornbirn, um in einem Streit zwischen dem Abt des Klosters Meh- rerau und den Gemeindeleuten aus dem Bregen- zerwald wegen der Todfälle die Bauern zu ver- hören, wie es der Bregenzerwälder Landschreiber Jos Berlinger angeregt hatte.18 Bedauerlicherweise ist diese von der eigenen Hand Dieprechts ge- schriebene Urkunde stark beschädigt und verbli- chen, so dass sie nur mehr teilweise lesbar ist. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass künftig noch weitere Notarsurkunden aus der Tätigkeit Dieprechts aus- findig gemacht werden können, die unser Wissen über seine Praxis erweitern. Da bereits für das Jahr 1470 Vitus Esam als Pfarrer für Eschen nachweisbar ist,19 konnte sich Dieprecht offensichtlich nicht besonders lange sei- ner Pfründe erfreuen. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob er zwischen Ende 1465 und 1470 ver- 16) Peter-Johannes Schuler, Südwestdeutsche Notarszeichen (= Kon- stanzer Geschichts- und Rechtsquellen, 22), Signiaringen 1976, Tafel 142, Nr. 834. 17) Repertorium Germanicum Bd.8/1, S. 405, Nr. 2740. 18) VLA, Urk. 4902. 19) Franz Näscher, Geistliche aus/in Liechtenstein nach Pfarreien (Manuskript), unter «Eschen». 223
	        

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