Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

len des Apparates immer wieder «als schwerwie- gendes Manko» bedauert wurde, dass aber «die Zuverlässigkeit der <Geschichte) Kaisers nie in Fra- ge stand und diese sich immer wieder bestätig- te»202. Kaiser habe «die Geschichte Liechtensteins von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahr- hunderts in einen kompakten, flüssig und überaus sachlich geschriebenen Band» verpackt. «Die le- bendige und doch nüchterne Sprache macht das Werk bis heute leicht lesbar.»203 1993 Zum 200. Geburtstag stand der «Peter Kaiser-Vor- trag» ganz im Zeichen des Jubilars. Fünf Vorträge beleuchteten sein Leben und Schaffen aus unter- schiedlichen Perspektiven.204 Im gleichen Jahr er- schien die Biographie von Arthur Brunhart.205 Die Vielzahl dieser Beiträge und die kostbare Aufma- chung der Biographie lassen erkennen, wie sehr nun die Kaiser-Forschung vorangetrieben wird und welche Bedeutung im Bewusstsein der heutigen Liechtensteiner ihr zukommt. Erstmals kommen mit Dieter Langewiesche («Peter Kaiser als Politiker») und Volker Press («Pe- ter Kaiser und die Entdeckung des liechtensteini- schen Volkes») Wissenschaftler zu Wort, die weder aus dem Lande selbst noch aus der schweizeri- schen Nachbarschaft stammen. Der Horizont wei- tet sich; europäische Massstäbe werden angelegt, was einer weiteren Versachlichung, auch einer ge- wissen Ernüchterung und Eingrenzung dient. Während Peter Geiger («Einleitung: Überliefern und Erforschen» und «Politisches Wirken Peter Kaisers und Nachwirkungen im 20. Jahrhundert») feststellt, dass Kaiser «den Liechtensteinern unter allen geschichtlichen Persönlichkeiten ihres Volkes bis heute als Grösster gilt»206, und gar von einem «Peter-Kaiser-Mythos»207 spricht, nennt Dieter Lan- gewiesche den Gefeierten, im Vergleich zum Wer- degang «namhafter Liberaler im Deutschen Bund», ein «politisches Leichtgewicht»208. Die Zuordnung zum Liberalismus - genauer: zum Frühliberalis- mus, noch genauer: zum katholischen Frühlibera-lismus 
- wird nun endgültig vollzogen209 und durch die drei Grundpfeiler Familie, Besitz und Eigenver- antwortlichkeit des Individuums, wie sie Kaiser ge- gen Schluss seiner «Geschichte» ausdrücklich po- stuliert, begründet. «Die Familie als Kern von Staat und Gesellschaft, der Besitz als Voraussetzung von bürgerlicher Selbständigkeit, der Mensch als selbstverantwortliches Wesen - dieses politisch-so- ziale Glaubensbekenntnis weist Peter Kaiser als Liberalen aus. Dass er sich auf die Gottes-Eben- bildschaft des Menschen210 beruft, um seine umfas- sende Selbstverantwortung zu begründen, mag überraschen, denn wir pflegen unter Liberalismus eine säkulare politische Lehre zu verstehen, die Staat und Kirche trennen wollte ... Doch im Früh- liberalismus war diese Kampflinie noch nicht so scharf ausgeprägt wie später, noch gab es viele Ka- tholiken, die das Bekenntnis zum Liberalismus und zur katholischen Kirche verbanden.» Und Lange- wiesche weist auch gleich auf Carl von Rotteck, Kaisers Professor in Freiburg, hin. «Carl von Rot- teck war der prominenteste unter den liberalen Ka- tholiken im Deutschen Bund.»211 Volker Press zeigt zusätzlich auf, dass die Frage des Eigentums in Kaisers Geschichtswerk mehrfach und schon früh behandelt, dass also sein «liberales Credo» schon an das Mittelalter angelegt wird.212 Diese Einsicht leitet zu einem Kerngedanken der drei interpretie- renden Historiker über: «Historisch-politische Be- wusstseinsbildung» finde statt (Geiger213). Kaiser sei ein «historischer Aufklärer» (Langewiesche214). Er bekenne sich offen zur «Geschichte als Lehrmei- sterin» (Press215). Auch über den Grundzug dieser Lehre sind sich die Interpreten untereinander wie mit allen früheren Forschern einig: Durch seine «Geschichte von unten» (Geiger216) sei er «ein Er- wecker und Prophet für das kleine Volk von Liech- tenstein» (Press217) geworden. «Das entscheidende Verdienst von Peter Kaiser ist also seine Rolle für die Stiftung einer liechtensteinischen Identität.»218 Die «schweizerisch-graubündische Perspektive»219 und Unkenntnis über «die Politik des Fürstenhau- ses und ihre Begründungen» hätten allerdings das Urteil über Fürst Johann I. getrübt; «die entschei- dende Rolle der österreichischen und europäischen 212
	        

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