Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

PETER KAISER IM LICHTE DER NACHWELT JÖRG GERMANN übernimmt): «Es that aber auch Noth, der Thätig- keit der Reformirten, ihren Glauben auszubreiten, durch Beispiel, Belehrung und bessern Schulunter- richt entgegenzuwirken.»126 Zwei Auslassungen der zweiten Auflage seien noch erwähnt: Ihre Leser erfahren nicht, dass auch ein liechtensteinischer Freiherr «die evangelische Lehre ergriff»127. Auch nichts über Niederer, den früheren Gegner Kaisers in Yverdon und späteren Freund, und dessen Idee einer Erziehungsanstalt auf Schloss Forstegg. Diese Streichung ist verständ- lich, handelt es sich doch wohl um eine sehr per- sönlich motivierte Huldigung; nur fällt damit auch das kurze Lob Pestalozzis, «dieses grossen Men- schenfreundes und Erziehers»128 weg. Natürlich beurteilen die beiden Autoren auch die Bestrebungen Kaiser Josephs II. gegensätzlich. Kaiser widmet ihm eine längere Passage: «Er hob die Leibeigenschaft auf, verbesserte die Rechtspfle- ge, gestattete der öffentlichen Meinung freien Aus- druck in Rede und Schrift, beförderte die Duldung in Glaubenssachen, Handel und Gewerbe und suchte vorzüglich den Landmann aus seinem gei- stigen und materiellen Elend zu erheben. <Es gibt ein ungeschriebenes Recht des Volkes, gegen wel- ches kein erkauftes oder ererbtes durch Verjährung sich in Recht verwandeln kann. Ist es nicht Unsinn, zu glauben, dass die Obrigkeiten das Land beses- sen, bevor noch Unterthanen waren, und dass sie das Ihrige unter gewissen Bedingungen an die letz- tern abgetreten haben? Mussten sie nicht auf der Stelle vor Hunger davon laufen, wenn Niemand den Grund bearbeitete? Ebenso absurd wäre es, wenn sich ein Landesfürst einbildete, das Land gehöre ihm und nicht er dem Lande zu, Millionen Menschen seien für ihn und nicht er für sie, um ihnen zu dienen.> So schrieb Kaiser Joseph II. ... Oft hörte man vom Kaiser die Äusserung: <Mein grösstes Glück wäre, freien Männern zu gebie- ten).»129 Es ist anzunehmen, Peter Kaiser habe die- ses längere Zitat eingefügt, weil in ihm die eigene Meinung voll zum Ausdruck kommt. Büchel lässt dies alles weg, fügt aber ein: «In Österreich selbst hatte der Kaiser durch seine Zentralisationsbestre- bungen und unerhörten Eingriffe in das kirchliche 
Leben, durch das er die Kirche knechtete, das treue katholische Volk und den kirchlich gesinnten Kle- rus schwer beleidigt. Auch der persönliche Besuch des Papstes in Wien brachte ihn nicht auf bessere Wege.»130 Kaisers positive Bewertung der josephinischen Reformbestrebungen, wie sie aus der oben abge- druckten Stelle zum Ausdruck kommt, vereinigt zwei Kernanliegen des liechtensteinischen Pädago- gen: das Eintreten für die Freiheit des Volkes und die Toleranz in Glaubenssachen. Beide Anliegen gehören zusammen,131 sie fliessen aus gemeinsa- 116) Kaiser S. 238. 117) Büchel S. 250 f. 118) Ebenda, S. 251. 119) Kaiser S. 301. 120) Büchel S. 334. 121) Weggelassen ist Luthers Antwort auf dem Reichstag zu Worms: «Wenn man ihn aus der heiligen Schrift widerlege und ihm seine Irrthümer daraus nachweise, sprach er, sei er bereit, dieselben abzulegen, sonst nicht.» Kaiser S. 321. Die Angabe, dass Luther die «Heilige Schrift» (Kaiser: «die heiligen Schriften») ins Deutsche übersetzte, bekommt den Zusatz: «aber mit willkürlichen Änderun- gen zugunsten seiner neuen Lehre.» Büchel S. 358. Gestrichen wurde, wie schon bei der Einführung zu Hus, das Adjektiv «kühn», weil in ihm eine gewisse Bewunderung Kaisers mitschwingt. Kaiser S. 235/320. Büchel S. 250/357 122) Kaisers. 321. 123) Büchels. 358. 124) Kaisers. 330. 125) Büchel S. 369. 126) Kaiser S. 335, Büchel S. 376. 127) Kaisers. 441. 128) Ebenda, S. 491. Niederer hat den Plan, wie viele andere, nicht verwirklicht: Siehe Fritz Osterwalder: Johannes Niederer in Senn- wald. In: Werdenberger Jahrbuch 1995, S. 23-37. 129) Ebenda, S. 474. 130) Büchel S. 538. 131) Das wird auch durch die Gegenposition fürstlicher Machtan- sprüche deutlich, bis in den sprachlichen Ausdruck hinein: Etwa wenn Schupplers Wunsch nach Versetzung vom Fürsten «erhört» wird oder wenn das Entgegenkommen aus reiner «Gnade» ge- schieht. Ein bedeutsamer Unterschied besteht allerdings: Die Christen wurden weder von Gott noch der Kirche als «Untertanen» bezeichnet. 199
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.