Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1997) (94)

HYPOTHESEN Wie William Labov anhand einer Studie über das Sprachverhalten in New York gezeigt hat, korreliert die Variation bestimmter linguistischer Einheiten mit sozialen Parametern.1 Bezüglich dieser Para- meter müssen vor Beginn der empirischen Korpus- gewinnung Hypothesen aufgestellt werden, da die Zusammensetzung des Samples davon abhängt. Es müssen die Faktoren ausgewählt werden, von de- nen angenommen wird, dass sie im Untersu- chungsgebiet Einfluss auf den Sprachwandel ha- ben. Dass nicht jeder gruppenbildende Sozialfaktor überall, d. h., in allen Sprachgebieten gleichermas- sen einflussreich ist, stellte bereits Wolfensberger fest.2 In seinem Untersuchungsgebiet in der deut- schen Schweiz sind die Faktoren Beruf und soziale Stellung im Gegensatz zu vielen Gebieten Deutsch- lands völlig irrelevant für die Sprachverwendung. Klaus Mattheier schliesst daraus, dass es offen- sichtlich in den verschiedenen deutschsprachigen Regionen grosse Unterschiede zwischen den rele- vanten gesellschaftlichen Faktoren gibt.3 Die Auswahl der gruppenbildenden Sozialfakto- ren muss deshalb bedacht werden. In der Dialekto- logie wurde und wird meist nach den Faktoren Alter, Geschlecht, Beruf, Berufsort, Bildung, Schichtzugehörigkeit, Einkommen, Ortsansässig- keit etc. eingeteilt. Je nach Untersuchungsgebiet werden dabei die Faktoren ausgewählt, von denen Einfluss auf die Sprache angenommen wird. In der neueren Dialektologie gibt es aber auch Versuche, von diesen klassischen Kriterien abzu- kommen und andere Gruppenbildungsfaktoren zu finden. So wurde beispielsweise das Sprachverhal- ten in der Gemeinde Grossdorf im Bregenzerwald (Vorarlberg) anhand einer sogenannten Kommuni- kationsnetzwerk-Analyse (Communication Net- work Analysis) untersucht.4 Dabei wird das Sprachverhalten eines Individuums in Abhängig- keit zum Integrationsgrad in seiner Sprachgemein- de erklärt. Es kommt hier nicht mehr auf Alter, Ge- schlecht etc. des Sprechers an, sondern auf die Qualität und Quantität seiner Kommunikations- kanäle und Verbindungen zu anderen Personen. 
Hinter dieser Theorie steht die Auffassung, dass sich Personen, die stark ins Gemeindeleben invol- viert sind (Mitgliedschaft in Vereinen, Kontakte zu Einheimischen, Engagement in der Dorfpolitik etc.), sprachlich von Personen, die «nur im Dorf schlafen», unterscheiden. Die vorliegende Arbeit verfährt mit den objektiv leichter greifbaren Kriterien der «traditionelleren» Dialektologie. Unter Berücksichtigung der Tat- sache, dass Triesenberg eine Sprachinsel ist, die relativ abgeschieden, hoch über dem Talgrund liegt und ausgeprägt ländlichen Charakter mit unkom- plizierten Umgangsformen hat, soll hier davon aus- gegangen werden, dass vor allem die Faktoren Al- ter, Geschlecht, Art des Berufes und Ort der Berufsausübung von Bedeutung sein könnten. Sozi- alfaktoren wie Einkommen, Schichtzugehörigkeit, Bildung etc. sind wohl eher in städtischer Umge- bung relevant. Sie werden im Untersuchungsort Triesenberg konstant gehalten. In der theoretischen Literatur werden den vier ausgewählten Faktoren Einflüsse auf den Sprach- wandel zugeschrieben, die in zahlreichen empiri- schen Studien oft erhärtet oder, wie bei Wolfens- berger in Stäfa (ZH), bezüglich der Variable Beruf relativiert werden konnten. DAS ALTER Insbesondere dem Sozialfaktor Alter wird eine zen- trale Rolle im Sprachwandelprozess zugewiesen.5 Sprache verändert sich laufend, so dass Sprecher verschiedenen Alters durch ihren unterschiedli- chen Zeitpunkt des Spracherwerbs verschiedene Sprachstadien repräsentieren. Ein alter Mensch ist demnach Repräsentant eines älteren Sprachstadi- ums, während ein junger Mensch ein jüngeres Sta- dium vertritt. Dies darf angenommen werden, ob- wohl die Sprache eines individuellen Sprechers nach dem primären Spracherwerb nicht völlig sta- bil bleibt.6 Für die vorliegende Untersuchung wür- de das bedeuten, dass ältere Sprecher weniger sprachliche Neuerungen aufweisen sollten als jün- gere Sprecher. 12
	        

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