Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

FRAUENARBEIT IN LIECHTENSTEIN 1924 BIS 1939 BÄUERINNEN / CLAUDIA HEEB-FLECK wertvollsten Stand hinaufstilisiert, dem für die Be- wahrung der althergebrachten Werte und der na- tionalen Eigenart eine Schlüsselrolle zugeordnet wurde.405 Zum anderen erhielt der Status der Bäuerin mit der Durchsetzung und Verinnerlichung der bürger- lichen Geschlechterideologie allmählich eine an- dere Qualität. Je mehr das Leitbild der Hausfrau, Gattin und Mutter zur a/Zr/ememverbindlichen Norm wurde, desto mehr näherte sich der Status der Bäuerin dem der (bürgerlichen) Hausfrau an. In Liechtenstein und den umliegenden Ländern lei- stete die Zwischenkriegszeit dieser Angleichung an den «Hausfrauenstatus» Vorschub, da im Zeichen der wirtschaftlichen und kulturell-geistigen Krise dieser Jahre das bürgerliche Frauenbild wieder stärker propagiert wurde. Auf dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktlage und als Reak- tion auf eine kulturelle Krisenstimmung, die die «traditionellen Werte» und mit ihnen das «traditio- nelle» Rollenverständnis für gefährdet hielt, sollten Frauen enger in die ihnen zugeteilte Rolle einge- bunden, bzw. auf sie verpflichtet werden.406 Ein Ausdruck für die Annäherung an den Status der Hausfrau ist wiederum die Sprache. So schreibt das «Liechtensteiner Volksblatt» zur Einführung der von 1929 an erscheinenden Landwirtschaft- lichen Beilage: «Wir werden besonders auch dar- auf bedacht sein, dem Landwirte und der Hausfrau im landwirtschaftl. Betriebe Praktisches zu bieten, und so unsere Landwirtschaftliche Beilage zu einem Hausfreund werden zu lassen.»407 In die gleiche Richtung deuten die Interviews: Die heute 90jährige J.K. schätzte sich eher als Hausfrau ein, die knapp 70jährige WS. antwortete auf meine Frage nach der Einschätzung ihrer Arbeit: «Schon als Bäuerin. Ich wüsste nicht was sonst! Oder als Hausfrau.»408 In erster Linie zeigt sich diese Angleichung jedoch im Bild, das vor allem die Landwirtschaftliche Bei- lage von der «wahren Bestimmung» der Bäuerin und ihrem Aufgabenbereich entwarf: «Was daher not tut, das ist das, dass sich die Bäue- rin mehr als bisher in ihrer Eigenschaft als Mutter 
und Fürsorgerin der Familie auf die grosse kultu- relle und ethische Aufgabe besinnt, die ihr zuge- wiesen ist.»409 Wie die bürgerliche Hausfrau wurde 399) Anhang, Interview mit J.Q. 400) Vgl. Anmerkung 362. 401) Duden/Hausen, S. Iii'. 402) Beispiele für die im Vergleich zu Händlerinnen wesentlich deutlichere Wahrnehmung sind die Gestaltung des Kopfes der Land- wirtschaftlichen Beilage, in der Bauer und Bäuerin gleichgewichtig dargestellt werden und die, wenn auch nur sporadische, explizite Erwähnung von Bäuerinnen in Artikeln über allgemeine landwirt- schaftliche Probleme oder Veranstaltungen. 403) Für die Ausführungen zu diesem Kapitel diente mir die Land- wirtschaftliche Beilage (ab 1929 Beilage des LVolksblatt) als Quellen- grundlage. Wie schon in der Einleitung erwähnt, wurde sie zwar in der Schweiz redigiert, doch die darin zum Ausdruck kommende Ideologie über den Bauernstand im allgemeinen und die Bäuerin im besonderen lässt sich wohl auch auf Liechtenstein übertragen. 404) Die Basis zur Aufnahme dieser Ideologie war in Liechtenstein, in dem grosse Teile der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeite- ten oder doch über Familienangehörige mit ihr verbunden waren, eine ganz andere als in der industrialisierten Schweiz. 405) Diese Ideologie kommt nicht nur in der Landwirtschaftlichen Beilage zum Ausdruck, sondern auch in verschiedenen, von Liech- tensteinern verfassten Zeitungsartikeln und in den Berichten des Sekretärs der Landwirtschaftlichen Beratungsstelle (LLA, 1934, RF/143, Nr. 186, «Agrarpolitisches» von Franz Beck, Landwirt- schaftliche Beratungsstelle / LVolksblatt, 1925, Nr. 6, «Landwirt- schaftliche Sparsamkeit» / LVolksblatt, 1927, Nr. 64, «Landwirtschaft und Volkswohlfahrt»). Zur Schweiz vgl.: Geschichte der Schweiz und der Schweizer, Bd. 3, S. 128f. W. Möckli, Schweizergeist - Landigeist?, Das schweizerische Selbst- verständnis beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, Zürich 1973. Verschiedene Ansprachen und Vorträge von Bundesrat Philipp Etter (z.B.: «Bauernstand und Familienschutz»). 406) Einführung. 407) LVolksblatt, 1929, Nr. 115, Landwirtschaftliche Beilage, «Zur Einführung», Hervorhebung von mir. 408) Anhang, Interview mit W.S., S. 130. 409) LVolksblatt, 1930, Nr. 42, Landwirtschaftliche Beilage, «Die wahre Bestimmung der Bäuerin». In den Mitteilungen des LBV's fin- den sich vorwiegend fachliche Beiträge und Statistiken. Ideologische Beiträge über den Bauernstand und die Rolle der Bäuerin nehmen darin nur sehr geringen Raum ein. Der deutlichste Beitrag in dieser Richtung stammt von 1939: «Für heiratslustige Bauernmädchen, Aus dem <katholischen Schweizerbauen», S. 31 ff. In diesem Beitrag wird von einer «rechten Bauersfrau» gefordert, dass sie den Kopf nicht hängen lassen dürfe. Sie müsse bei einem Unglück das Herz in beide Hände nehmen und den «mutlosen Mann» wieder aufrichten. 87
	        

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