Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

schaft die 52-Stunden-Woche bewilligt worden.174 Als Begründung für Arbeitszeitverlängerung oder Schichtarbeit führten Jenny, Spoerry & Cie in ihren Gesuchen die Notwendigkeit der «Verbilli- gung der Produktion», der «rationelleren Gestal- tung» und des «Ausgleiches in der Besetzung der Stühle» an.175 Druck von seiten des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Voraussetzungen für die Ein- haltung der gesetzlich festgelegten Normalarbeits- woche zu schaffen, gab es nur in geringem Masse. So wurden die Bewilligungen von 1934 und 1935 unter dem «Vorbehalt des Rückzuges bei Eintritt wesentlich veränderter Verhältnisse» erteilt,176 die- jenige von 1937 an die Bedingung geknüpft, «dass der Personalbestand in dem Masse erhöht werde, dass in absehbarer Zeit die Durchführung der 48-Std.-Woche möglich wird».177 Bei Schichtbetrieb stand den Arbeiterinnen gesetz- lich eine halbe Stunde Pause zu, die ihnen nur von der Arbeitszeit abgezogen werden durfte, wenn das Verlassen der Arbeitsstelle gestattet war.178 Diese Pausen waren zwar in der Bewilligung für den Schichtbetrieb bei Jenny, Spoerry & Cie kor- rekt angegeben,179 wurden aber im Betrieb nach K.H. nicht eingehalten: «Bei Schicht hat man halt nur 8 Stunden gearbeitet. Dazwischen hat es keine Pause gegeben. Man musste zwischenhinein essen ... Man konnte die Maschine nicht alleine laufen lassen.»180 Als die Regierung 1937 in dieser Sache an Jenny, Spoerry & Cie, Vaduz, gelangte, berief sich die Be- triebsleitung auf ein mit den Schichtarbeiterinnen in deren vollem Einverständnis getroffenes Abkom- men. Dieses «Abkommen» sah vor, dass die eine Schicht ohne Pause arbeitete und die Nahrung zwi- schenhinein zu sich nahm, und dass die andere Schicht 15 Minuten Pause machte, die jeweils vor-, respektive nachgeholt wurden. Jenny, Spoerry & Cie schlössen das Schreiben an die Regierung mit folgenden Worten: «Nach Befragen der betroffenen Personen am 10. Juli sind dieselben auch jetzt noch vollständig einverstanden mit der bisherigen Ein- teilung und wünschen, dass es weiterhin so bleiben 
werde. Trotz Nichteinhaltung des Gesetzes ist den Leuten besser gedient, wenn Sie diese kleine Un- korrektheit übersehen wollen.»181 Die Regierung wandte sich in dieser Angelegenheit an das zuständige Eidgenössische Fabrikinspek- torat, das die Regierung dazu aufforderte, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in dem betreffenden Betrieb besorgt zu sein, da «es sich um eine ausgesprochene Arbeiterschutzbestim- mung handelt, der deshalb öffentlich-rechtliche Wirkung zukommt».182 Das Fabrikinspektorat wies ferner darauf hin, dass den Arbeiterinnen «für die Verbringung der Pausen ein zweckdienlicher, heiz- barer Raum zur Verfügung gestellt» werden solle, «in dem mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Schicht aus weiblichen Personen genügend Sitzgelegenheiten mit Rückenlehnen vorhanden (sein sollen)».183 Bei Jenny, Spoerry & Cie fehlte solch ein Aufent- haltsraum, so dass sich z.B. die Arbeiterinnen, die im Winter über Mittag in der Fabrik blieben, mit notdürftigen und hygienisch bedenklichen Einrich- tungen abfinden mussten: «Eine Zeitlang haben wir in der Schmiede gegessen. Das war eine russige Bude! Dort sassen wir drin über Mittag, bis einmal ein Schreiner gesagt hat, wir sollen doch in die Schreinerei, da sei es noch ein bisschen schö- ner als in der schwarzen Schmiede.»184 Bei der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für Überzeitarbeit haperte es ebenfalls. So zeigte das Fabrikinspektorat St. Gallen 1938 die Rheintali- schen Bekleidungswerke AG in Mauren wegen Überzeitarbeit ohne Bewilligung und den 25-Pro- zent-Lohnzuschlag bei der Regierung an. Die Re- gierung ermahnte die Fabrik, das Beanstandete so- fort zu ändern und erteilte rückwirkend die Bewilli- gung für Überzeitarbeit unter der ausdrücklichen Bedingung, dass für die Überstunden - auch für die unberechtigten vor dem 30. November - der Lohn- zuschlag bezahlt werde.185 Der Umstand, dass das Fabrikinspektorat St. Gal- len Anzeige erstattete und nicht die für die Kon- trolle der Überzeitbewilligung verantwortliche liechtensteinische Behörde ist ein Zeichen für die Unzuverlässigkeit der Kontrollen. 50
	        

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