Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

Für diese unterschiedliche Einschätzung spielten verschiedene Momente eine Rolle: Zuerst das Ver- haften in der vergleichsweise «intakten» ländlich- patriarchalischen Struktur Liechtensteins, als zweites das minimale Berufsangebot für Frauen in Liechtenstein, das neben Fabrikarbeit, Haus- und Landwirtschaft kaum Alternativen bot und als drittes, dass das im Vergleich zur Fabrikarbeit höhere Prestige des Dienstmädchenberufes sich auf Dienststellen in der Schweiz beschränkte, denn auch in Liechtenstein kehrten die Frauen der ein- heimischen Hauswirtschaft den Rücken.116 ARBEITSMARKTVERHALTNISSE FÜR FABRIKARREITERINNEN Die Bedingungen für einen Wiederaufbau oder gar Ausbau des industriellen Sektors waren nach dem Rückschlag des Ersten Weltkrieges in Liechtenstein denkbar ungünstig.117 Nach der Betriebszählung von 1929 gab es nur fünf Fabriken, die insgesamt 511 Arbeiterinnen - davon 500 Frauen und Män- ner allein in den drei Textilindustriebetrieben - be- schäftigten.118 Wie die Handelsstatistik von 1933 aufzeigt, blieb die Textilindustrie während der Zwi- schenkriegszeit der dominante Industriezweig: Textilien und Bekleidung machten über 50 % des Gesamtexportes aus.11<J Trotzdem zeichnete sich zur selben Zeit der Bedeu- tungsverlust der Textilindustrie bereits klar ab.120 Andere Betriebsgründungen Ende zwanziger, An- fang dreissiger Jahre fingen die abnehmenden Be- schäftigungsmöglichkeiten in der Textilindustrie nur langsam auf.121 Der Weg bis zum Erreichen des Fabrikarbeiterin- nenstandes der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ver- lief nicht linear, sondern mit dem typischen Ein- bruch in der Weltwirtschaftskrise der dreissiger Jahre. Bis 1928 - nach Matt vor allem zwischen 1924 und 1928122 - erholte sich die Industrie lang- sam, danach kam die Krise voll zum Ausbruch, die zirka 1935 ihren Höhepunkt erreichte. Im Vergleich zur Schweiz, die sehr spät, erst 1933/34, richtig von der wirtschaftlichen Krise er-Fabrikarbeiterschaft 
- gesamthaft und im Unter- nehmen Jenny, Spoerry & Cie123 500 400 300 200 1') 
Fabrikarbeiterschaft total Fabrikarbeiterschafl im Unternehmen Jenny, Spoerry & Cic 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 r 25 1930 1935 Weibliche und männliche Belegschaft bei Jenny, Spoerry & Cie 400 300 200 100 50 19 
Weibliche Fabrikarbeiterschaft Weibliche V Fabrikarbeiterschan * % bei Jenny. Spoerry & Cie 
s Männliche Fabrikarbeilerschaft Männliche Fabrikarbeilerschaft bei Jenny. Spoerry & Cie 25 1930 1935 fasst wurde,124 zeigte also die Weltwirtschaftskrise in Liechtenstein schon sehr früh Folgen. Dies hängt wahrscheinlich einerseits mit dem äusserst schwa- chen Stand der liechtensteinischen Industrie zu- sammen, der kaum Möglichkeiten bot, wirtschaft- liche Erschütterungen aufzufangen, andererseits mit der einseitigen Ausrichtung auf die auch ge- samteuropäisch in einer Strukturkrise steckenden Textilindustrie. Die liechtensteinische Textilindustrie und die «In- dustrie der Steine und Erden»125 beschäftigten vor- 42
	        

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