Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

bene Stelle für ein «Mädchen für Gastwirtschaft und Haushalt» stellte 160 bis 180 Franken monatlich in Aussicht. Die an die Wirtschaftskammer gesandten Stellenbeschreibungen für «Mädchen für Haushalt und Service» lagen im Lohnniveau etwas tiefer - nämlich bei 80 bis 120 Franken pro Monat.93 Auch andere äussere Arbeitsbedingungen stellten wohl keinen Grund für die Bevorzugung des schweizerischen Arbeitsmarktes dar. Zwar teilte O.W. in Zürich mit der Serviertochter und dem Küchenmädchen zwei Zimmer mit flies- send Wasser und Heizofen, während ihr in Liech- tenstein zusammen mit dem Küchenmädchen nur eine Mansarde zustand, die weder fliessend Was- ser hatte noch geheizt werden konnte. Wie die Bestimmungen der Normalarbeitsverträge von Zürich und Winterthur jedoch zeigen, waren aber schlechte äussere Arbeitsbedingungen auch in der Schweiz noch an der Tagesordnung.94 Ob das Dienstpersonal gut oder schlecht behandelt wurde, hing hier wie dort in erster Linie von den jeweiligen Arbeitgeberinnen ab. Schlechte Behand- lung war sowohl in Liechtenstein wie auch in der Schweiz keine Seltenheit. Dies verdeutlichen ver- schiedene Zeitungsinserate, die ausdrücklich beto- nen, dass «gute Behandlung zugesichert» werde.95 Beim Entscheid für einen Arbeitsplatz in der Schweiz nicht zu unterschätzen sind neben der Lohnfrage sicher die persönlichen Motive: Die An- nahme einer Stelle in der Schweiz bot die Möglich- keit, von zu Hause fortzukommen, den engen Rah- men der Familie und die damit verbundenen viel- fältigen Verpflichtungen zu verlassen. So antwor- tete O.W. auf meine Frage, warum sie sich für die Arbeit als Dienstmädchen entschieden habe: «Ich bin die Älteste gewesen. Der Jüngste war mehr als 10 Jahre jünger. Da musste man Windeln waschen, auf die Kinder aufpassen und da bin ich eigentlich fast lieber fortgegangen.»96 Dem Ausweichen auf den schweizerischen Arbeits- markt waren jedoch enge Grenzen gesetzt, da in der Schweiz bereits in der Krise der dreissiger Jahre ein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosig- keit darin gesehen wurde, ausländische Arbeits-kräfte 
durch inländische zu ersetzen. Besonders stark bekamen das Dienstpersonal und Servier- töchter die damit verbundene Verschärfung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen zu spü- ren.97 Die Behörden erteilten Arbeitsbewilligungen an Dienstmädchen und Serviertöchter in der Regel nur noch, wenn sich keine einheimische Kraft fin- den Hess.98 War dies in den zwanziger Jahren häu- fig noch schwierig, da sich immer weniger Schwei- zerinnen bereit erklärten, als Dienstboten zu arbei- ten,99 so zeigte sich in den dreissiger Jahren der Erfolg der schweizerischen Arbeitsmarktpolitik. Über hauswirtschaftliche Schulungs- und Umschu- lungskurse wurden neu ins Erwerbsleben tretende Frauen und arbeitslose Fabrikarbeiterinnen in den Hausdienst umgelenkt, um so den vor allem in der Industrie angespannten Arbeitsmarkt zugunsten der Männer zu entlasten. So kam es zwischen 1932 und 1934 zu der für die Schweiz einmaligen Kon- stellation, dass das «Angebot an Hausangestellten» grösstenteils die Nachfrage überstieg.100 Nach den - allerdings kärglichen - Zahlenangaben in den Rechenschaftsberichten ging die Anzahl liechtensteinischer Arbeitnehmerinnen in schwei- zerischen Haushalten, Gastwirtschaften und Hotels beträchtlich zurück. Während 1932 immerhin 135 Frauen in der Schweiz als Dienst- und Servierper- sonal Beschäftigung fanden, waren es 1937 noch 51, 1939 nur noch 28 Frauen.101 Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Insera- ten und in den «Mitteilungen des Arbeitsamtes über offene Stellen» wider: Wurden 1929 sowohl in den Mitteilungen als auch in den Inseraten Dienst- personal und Serviertöchter vorwiegend für die Schweiz gesucht oder in die Schweiz vermittelt, än- derte sich das Bild in den dreissiger Jahren sehr. Die Stellenangebote beschränkten sich zum gröss- ten Teil auf Liechtenstein, Inserate schweizerischer Arbeitgeberinnen wurden von Stellengesuchen liechtensteinischen Dienstpersonals abgelöst.102 In Liechtenstein bewarben sich folglich Frauen in den dreissiger Jahren wieder vermehrt um Haus- dienststellen: «Während sich in früheren Jahren unsere Mädchen mit Vorliebe dem Fabrikbetriebe 32
	        

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