Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

Gang vor dem Saal stand eine Menge Leute»34. Die Stimmung war angeheizt, die Abgeordneten stan- den unter Druck. DER ABLAUF DER SITZUNG VOM 7. NOVEMBER Gleich nach Eröffnung der Sitzung verlas Imhof eine längere Erklärung.3"' Er verteidigte zwar sein bisheriges Verhalten als Landesverweser, bemerkte aber, dass er nicht mehr vom Vertrauen aller getra- gen sei. Um dem Land die notwendige Ruhe zu ge- ben, wolle er sich dem Wunsch der Bevölkerung nicht mehr entgegenstellen, «an der Spitze der Ver- waltung des Landes ein Landeskind zu sehen».3'1 Er stellte deshalb eine doppelte Vertrauensfrage. Erstens wollte er wissen, ob der Landtag ihm noch das Vertrauen entgegenbringe, zweitens fragte er, ob es der allgemeine Wunsch sei, dass ein Liech- tensteiner an seine Stelle trete. Im letzteren Fall er- klärte er sich bereit, dem Fürsten die Bitte zu un- terbreiten, ihn seiner Stellung als Landesverweser zu entheben. Abschliessend machte Imhof den Vor- schlag, für die Zeit, bis die Entscheidung des Für- sten eintreffe, einen provisorischen Ausschuss zu bestellen, der aus Vertretern beider Parteien gebil- det werden sollte.37 Die von den Initianten beabsichtigte Überra- schungstaktik gelang nur zum Teil. Die fürstlichen Abgeordneten, vor allem Albert Schädler und Ka- nonikus Büchel, wollten eine unmittelbare Beant- wortung der Vertrauensfrage verhindern und be- antragten eine Kommissionsberatung, wohl um für Gegenmassnahmen Zeit zu gewinnen. Schädler und Büchel argumentierten, dass der Vorgang nicht verfassungskonform sei, sie drangen aber mit ihren Anträgen nicht durch. Landtagsvizepräsident Walser beantragte, darüber abzustimmen, ob ein Vollzugsausschuss gewählt werden solle.38 Da auch der Landesverweser in diesem Vorgang laut seiner Äusserung keine Verletzung der Verfassung erken- nen konnte, schritt der Landtag zur Abstimmung, die mit 12:3 für den gestellten Antrag ausging.3'' Entgegen dem Antrag von Kanonikus Büchel wur-de 
öffentlich abgestimmt. Vizepräsident Walser be- antragte gleich anschliessend, Beck, Ritter und Emil Batliner in den Vollzugsausschuss zu wählen. Dieser Antrag wurde angenommen. Kanonikus Büchel erklärte später, er sei von der ganzen Sache derart überrascht gewesen, dass er sich an der Wahl beteiligt habe. Die Zuhörer beteiligten sich verbal durch Zurufe und Klatschen. Den Gegnern wurden Schimpfnamen ausgeteilt. Kanonikus Büchel hatte den Eindruck, dass verschiedene Ab- geordnete eingeschüchtert waren. «Neben mir sass einer, der zitterte», stellte er fest. Emil Batliner, Vorsteher in Mauren, wurde von Martin Ritter telefonisch informiert und aufgefor- dert, nach Vaduz zu kommen, «jetzt sei er wirk- licher Landrat». Batliner erklärte aber, an einer Re- gierung, die sich ohne Wissen des Fürsten gebildet habe, wolle er nicht teilnehmen; er lehnte die Wahl ab. An seiner Stelle wurde am 12. November Franz Josef Marxer aus Eschen gewählt. Marxer nahm mit der Begründung an, Imhof selbst habe dem Landtag vorgeschlagen, einen Vollzugsausschuss zu wählen. Imhof übergab die Amtsgeschäfte, da seiner An- sicht nach «Gefahr im Verzuge war»,40 sofort in- terimistisch dem Vollzugsausschuss. Nach Aussa- gen Imhofs änderte sich die Situation für ihn mit einem Schlag: «Früher teilweise arg angefeindet, bin ich auf einmal der Gegenstand allgemeiner Sympathien, die antidynastische Strömung ist verlaufen, der Agitation, welche meinem Verneh- men nach durch sozialistische Elemente aus Vor- arlberg genährt wurde, der Boden entzogen, und der glatte und würdige Verlauf der Jubiläumsfeier gesichert».41 Imhof legte sein Amt «schweren Herzens» in die Hände des Fürsten zurück und bat diesen gleich- zeitig, die Führung der Regierungsgeschäfte durch den Ausschuss «gnädigst genehm zu halten» und prinzipiell kundzugeben, «dass künftighin an die Spitze der Verwaltung ein Liechtensteiner gestellt werde».42 Abschliessend - fast klingt es, als ob er sich selbst hätte trösten wollen - empfahl Imhof, man solle den Ausschuss «in Funktion lassen und die Entwicklung der Dinge» abwarten. Er fragte 198
	        

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