Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

DAS HAUS BAYERN - ZEHN JAHRHUNDERTE WITTELSBACHISCHE GESCHICHTE / VOLKER PRESS leans, eine problematische Persönlichkeit. Nach ei- ner komödienhaften Konversion pflegte sie ihren Pfälzer Stil weiter und hielt enge Beziehungen zur Heimat. Doch der Reichskrieg von 1674 brachte eine grausame Verwüstung der Kurpfalz durch die Franzosen, so dass der verbitterte Kurfürst, der sein Lebenswerk zerstört sah, den französischen Feldherrn Turenne persönlich zum Duell forderte. Rasch zeigten sich Erbfolgeprobleme - aus Karl Ludwigs Ehe mit der Landgräfin Charlotte von Hes- sen-Kassel gab es nur zwei Kinder, ausser Elisa- beth Charlotte den Kurprinzen Karl; nach einer problematischen Ehescheidung heiratete Karl Lud- wig 1658 morganatisch die Hofdame Luise von De- genfeld aus reichsritterschaftlichem Adel, eine Ver- bindung, aus der die nicht sukzessisonsfähigen Raugrafen hervorgingen. Auch die Ehe Kurfürst Karls II. (1680-1685) mit einer dänischen Prinzes- sin blieb kinderlos; der neue Kurfürst sah sich so- gleich starkem französischem Druck ausgesetzt. Unter dem Einfluss des machtbewussten Hofpredi- gers Langhanns lenkte Karl II. zu einer ausgeprägt reformierten Linie zurück, die zwar evangelischen Glaubensflüchtlingen aus Frankreich und der Habsburger Monarchie eine neue Heimat brachten aber auch mit der Toleranzpolitik Karl Ludwigs brach. Karls kostspieliger Hof, seine Neigung zu unnützen militärischen Spielereien belasteten das Land aufs schwerste - von labiler Gesundheit, starb Karl bereits 1685, der letzte Kurfürst aus dem reformierten Hause Simmern. Als nächster Agnat stand der katholische Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg (1653-1690, 1685 Kurfürst) vor der Tür, aber auch der französische König Ludwig XIV. meldete im Namen seiner Schwägerin, der Pfälzer Liselotte, Ansprüche an, zumal Philipp Wilhelm mittlerweile eng mit dem Wiener Kaiserhof verbun- den war. Französische Truppen marschierten in die Pfalz ein und zerstörten 1689 und erneut 1693 brutal Hei- delberg und zahlreiche andere Orte der Umgebung - mit Entsetzen sah Liselotte das Geschehen, das allerdings auch den Übergang der bislang expansi- ven französischen Politik zur Defensive ausdrückte, für die man ein zerstörtes Glacis schaffen wollte. 
Der Reichskrieg zog sich zwölf Jahre hin. Philipp Wilhelm, der 1690 in Neuburg starb, hat sein Ende nicht mehr erlebt; die Pfälzer Regierung musste ausser Landes gehen. Der neue Kurfürst Johann Wilhelm (1690-1716) konnte das ruinierte Land erst 1697 wieder in Besitz nehmen. Kurfürst Karl hatte alles versucht, im Heilbronner Vertrag von 1685 das reformierte Bekenntnis der Pfalz zu si- chern. Philipp Wilhelm erkannte den Vertrag an, obgleich ihn Karl II. nicht mehr hatte ratifizieren können. Das Haus Pfalz-Neuburg war eigentlich die ältere Linie des Hauses Pfalz-Zweibrücken, das 1459 durch Ludwig I. den Schwarzen (1459-1489), den jüngeren Sohn des Pfalzgrafen Stefan, begründet wurde. 1526 hatte sich Pfalzgraf Ludwig II. der Jüngere (1514-1532) sehr früh als erster Wittelsba- cher der Reformation angeschlossen. Sein Sohn Wolfgang (1532/43-1569) profilierte sich dann als ausgeprägter lutherischer Landesherr. Er hatte 1557 das zweibrückische Kirchenwesen organisiert und 1559 im ehemaligen Benediktinerkloster Hornbach die berühmte Landesschule gegründet - als Lutheraner geriet er in scharfen Gegensatz zur reformierten Kurpfalz Friedrichs III. Kurfürst Ott- heinrich hatte ihm wegen verschiedener Kredite sein Fürstentum Neuburg überlassen, wohin Wolf- gang nach 1557 auch seinen Herrschaftsschwer- punkt verlegte. 1568 griff er auf der Seite der refor- mierten Hugenotten in die französischen Religions- kriege ein und starb 1569. Während der zweite Sohn Johann I. (1569-1604) Zweibrücken erhielt und später unter kurpfälzischem Einfluss refor- miert wurde, bekam Philipp Ludwig (1569-1614), der zeitlebens ein entschiedener Lutheraner blei- ben sollte, Neuburg. Philipp Ludwig war ein ökonomisch denkender Landesherr, der in engem Zusammenspiel mit Her- zog Christoph von Württemberg die administrative und konfessionelle Durchdringung seines Territo- riums in lutherischem Geiste in Angriff nahm; er war einer der bedeutendsten lutherischen Reichs- fürsten, mit der typischen Linie einer reichspoliti- schen Loyalität. Vielleicht mahnten ihn auch die Ansprüche zur Ruhe, die er, durch seine Ehe mit 163
	        

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