Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

A: Wieso bin ich ins Cafe Real gekommen?... Ich glaube durch eine Schulkameradin. Die jüngste Schwester von der Frau Real hat mich gefragt, ob ich nicht servieren wolle. Aber im Real bin ich nicht lange gewesen. Da kam Doktor Hoop und hat zu mir gesagt: «Geh Du ins Cafe Risch, dort bist Du allein - dann musst Du nicht mehr tei- len.» Da bin ich ins Cafe Risch. F: War es damals nicht sehr schwer in Liechtenstein, eine Stelle zu bekommen? A: Da war es schon besser. Die Österreicher haben nur in die Küche können. Die haben sonst keine Stelle bekom- men. F: Wie waren die Arbeitsbedingungen im Real? A: Am Morgen früh aufstehen - zum Putzen. Dazwischen hat man wieder servieren müssen. So wurde es fast Mit- tag, bis man fertig war. Früher musste man den Boden meist von Hand bohnern. Im Cafe Risch war das genau gleich. Am Nachmittag, wenn nichts gelaufen ist, musste man stricken. Die haben vier Buben gehabt, die viel ge- braucht haben. Mir ist immer etwas zum Stricken oder Bügeln gegeben worden - im Real nicht, nur im Cafe Risch. F: Wie lange mussten Sie abends arbeiten? A: Solange Gäste da waren. Manchmal bis um zwölf, manchmal bis ein Uhr. Dann haben wir noch vier oder fünf Fremdenzimmer gehabt. Wenn jemand um 6 Uhr früh fort wollte, dann musste man halt schon um 6 Uhr Morgenessen machen und Schuhputzen (wenn wir kein Küchenmädchen hatten). F: Unterkunft? A: Ein Schlafzimmer mit zwei Betten im obersten Stock. Sie wissen ja, wie die ausgebaut waren! Es war kein Was- ser oben. Das mussten wir immer mit hinaufnehmen. Ich war mit dem Küchenmädchen im Zimmer. F: Verdienst? A: 200 bis 250 Franken im Monat. Das war nur Trink- geld, kein fixer Lohn. F: Wurde der freie Tag konsequent eingehalten? A: Ja. Das hätte man ja sonst gar nicht ausgehalten. F: Haben Sie am Mittag/Nachmittag ein wenig frei ge- habt, um sich auszuruhen? A: Nein, nie. Aber das war überall so. ... Am Morgen auf- stehen und wenn Schluss war ins Bett gehen. Manchmal war auch etwas früher Schluss.... Wenn man frei hatte, hat man gerne geschlafen. F: War Ihnen der Arbeiterverband ein Begriff? A: Hat gar keinen gegeben. F: Doch, der Arbeiterverband wurde 1920 gegründet. A: 1920? F: Haben z.B. Ihre Brüder nie über den Arbeiterverband diskutiert? A: War, glaub ich, gar keiner drin. Ja, der Jüngste viel- leicht. Der Älteste hat selber ein Geschäft gehabt und der Zweite war Gemeindekassier. 
F: Wurde der LAV in der Öffentlichkeit nie erwähnt? A: Kann mich nicht erinnern - oder doch... Aber da sind ja nur Mannsbilder drin gewesen. Eine Frau wurde da gar nicht gefragt. F: Waren Sie nie unzufrieden mit Ihren Arbeitsbedingun- gen? Haben Sie sich nie gegen schlechte Arbeitsbedingun- gen gewehrt? A: Man hat sich ja nicht wehren können. Vielleicht waren vier oder fünf da, die gern die Stelle gehabt hätten. Früher haben da die Wirtschaften kein Problem gehabt. Alles woll- te servieren, weil man da noch am meisten verdient hat. F: Auch bei schlechten Arbeitsbedingungen? A: Darum hat man sich nicht gekümmert. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schlechte Laune gehabt hätte, weil ich viel arbeiten musste. F: Zuerst arbeiteten Sie als Dienstmädchen, nachher im Service - bedeutete der Service für Sie eine Besserstel- lung? A: Ja, klar. Erstens hat man mehr verdient - und ich bin gern mit Leuten zusammen. Da hab ich einen Haufen Leute gekannt. 112
	        

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