Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

Schlusswort Die bei Beginn auf dem Hintergrund der Ergeb- nisse der schweizerischen feministisch-histori- schen Wissenschaft vermuteten Phänomene der Frauenarbeit haben sich für Liechtenstein in der Zwischenkriegszeit bestätigt. Die von Frauen im häuslichen Bereich neben der Hausarbeit geleistete Arbeit wurde in der Öffent- lichkeit kaum wahrgenommen und verschwand aus offiziellen Quellen, ganz besonders aus den Statistiken. Ferner repräsentierten Ehemänner und Väter in Analogie zu ihrer Stellung innerhalb der Familie häufig die von Frauen im häuslichen Bereich geleistete Arbeit. Die ausserhäusliche Ar- beit der Frauen. zeigte ebenfalls die typischen Cha- rakteristika: tiefe Löhne, untergeordnete Positio- nen, typisch weibliche Arbeitsbereiche und Puffer- funktion der weiblichen Arbeitskräfte, die sich in der Wirtschaftskrise der dreissiger Jahre durch die Verdrängung der Frauen vom Arbeitsmarkt äus- serte. Die Aufarbeitung der von Frauen in Liechtenstein in der Zwischenkriegszeit geleisteten Arbeit ver- deutlicht zum einen das Prozesshafte der gesell- schaftlichen Minderbewertung der Frauenarbeit und ihrer Folgen für die Arbeitsverhältnisse der Frauen, zum anderen gibt sie Einblick in die Spezi- fika der Geschichte der Frauenarbeit in Liechten- stein, die trotz <allgemein> festgestellter Entwick- lungslinien spezifische Schattierungen aufweist. Die Kleinheit Liechtensteins (1930: 9948 Einwoh- nerinnen), seine katholische und seine ländlich-pa- triarchalische Struktur prägten als äusserer Rah- men die Ausgestaltung der Frauenarbeit. Entsprechend der kleinbäuerlichen und kleinge- werblichen Verhältnisse arbeitete ein Grossteil der Frauen in der Landwirtschaft oder im Kleinhandel und ein relativ geringer Teil ging einer ausserhäus- lichen Lohnarbeit nach.470 Dabei war die Untertei- lung der Frauenarbeit in häusliche Frauen- und ausserhäusliche Mädchenarbeit nicht nur im ge- sellschaftlichen Verständnis, sondern auch im ge- lebten Arbeitsalltag in Liechtenstein besonders ausgeprägt. Die ausserhäusliche «Mädchenarbeit», die sich mehr oder weniger auf Fabrikarbeit, Hausdienst 
und Gastgewerbe beschränkte, wurde primär unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Notwendig- keit betrachtet und akzeptiert. Der Anteil an aus- serhäuslich erwerbstätigen Frauen war in Liech- tenstein 1930 mit 26.3 Prozent deutlich niedriger als in der Schweiz, wo er zur gleichen Zeit 31.5 Prozent der Erwerbstätigen ausmachte. Durch die- se 26.3 Prozent wurde allerdings der Hausdienst und das Gastgewerbe mit ihrer spezifisch liechten- steinischen Ausprägung kaum adäquat erfasst. Diese Zahl beinhaltete zwar die ausländischen Dienstmädchen in Liechtenstein, liess aber die grosse Zahl liechtensteinischer Dienstmädchen und Serviertöchter, die sich von der einheimischen Hauswirtschaft und dem Gastgewerbe abwandten und in der Schweiz Arbeit suchten, ausgeklam- mert. Somit dürfte der Prozentsatz ausserhäuslich erwerbstätiger Frauen in Wahrheit etwas höher ge- legen haben, als es diese Statistik im ersten Mo- ment vermittelt. Im Vergleich zur Schweiz blieb die Frauenlohn- arbeit in der Zwischenkriegszeit noch viel stärker auf ganz wenige, typisch weibliche Arbeitsbereiche begrenzt, so dass sie die Männerlohnarbeit kaum konkurrenzierte. Der im Verlauf der dreissiger Jahre in der Schweiz und auch in Liechtenstein stattfindende Verdrän- gungsprozess der Frauen vom Arbeitsmarkt warf in der Schweiz hohe Wellen, während er in Liech- tenstein sehr «leise» vor sich ging. In der Schweiz war die Frauenlohnarbeit massiven Angriffen aus- gesetzt. Diese richteten sich primär gegen verhei- ratete erwerbstätige Frauen, vor allem Beamtinnen und Lehrerinnen. Dahinter stand die Auffassung, dass gerade für diese Frauen keine wirtschaftliche Notwendigkeit zur ausserhäuslichen Erwerbstätig- keit bestünde. Der damit verbundenen verschärf- ten Diskriminierung der Frau auf dem Arbeits- markt versuchten verschiedene Frauenorganisatio- nen - wenn auch mit geringem Erfolg - entgegen- zutreten. In Liechtenstein hingegen fehlte solchen Angriffen die Basis, da Frauen noch viel weniger in den Arbeitsmarkt integriert waren als in der Schweiz. Sowohl der Verdrängungsprozess der Frauen aus der liechtensteinischen Industrie als 102
	        

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