Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN FINANZWESEN / PAUL VOGT statt dessen verbiete die Verfassung den Ständen sogar, sich überhaupt auf diese Fragen einzulas- sen. Grosse Bedeutung mass Kaiser dem Beispiel anderer deutscher Bundesstaaten bei, in denen die Domäne zum Staatsgut erklärt worden sei. Empört zeigte sich Kaiser auch über die Behauptung, der Fürst verlange für sich keine Zivilliste. Da der Fürst Zölle und Domänengüter für sich beanspruche, fra- ge man sich, «ob irgend ein Land nach Verhältnis eine so grosse Civilliste bezahle, als das Fürsten- thum L. Und wie kann man behaupten, der Fürst beziehe nichts vom Lande, wie man es in allen Geographien von Deutschland liest?» Kaiser bean- standete auch den Umstand, dass die Erträge der Domäne ins Ausland gingen, weil der Fürst im Aus- land residiere. Zu den Taxen und Stempeln meinte er, dass diese zwar dem Lande überwiesen und be- trächtlich erhöht worden seien, doch habe man da- mit dem Volk ein Geschenk gemacht, «das es aus seiner eigenen Tasche bezahlen musste.» Nach sei- ner Ansicht standen nicht nur die Zölle, sondern auch das Jagdregal und die Wälder dem Lande zu. Als Mitglied der Delegation, die 1840 nach Wien gereist war und dem Fürsten die Anliegen der Un- tertanen vorgebracht hatte, machte er sich aber keine grosse Hoffnung auf ein baldiges Entgegen- kommen des Fürsten: «Überhaupt ist diese Materie eine schwierige und auch bei den besten Gründen nicht durchzudringen, wenn der Souveräin nicht will . . . Die hiesige Commission hat sich daher sei- ner Zeit weniger auf die rechtliche Deduktion als auf die Kraft von Bitten und die Wirkung der Gnade gestützt, aber wie es scheint, ohne Befolg.»36 Die Bedeutung der fürstlichen Privatgefälle geht aus einer Zusammenstellung des Oberamtes über die durchschnittlichen Herrschaftserträge in den Jahren 1827 bis 1838 hervor: Danach betrugen die Zölle im Jahresdurchschnitt 3755 Gulden, das Um- geld 1312 Gulden, das Weggeld 1304 Gulden, das Jagdregal 132 Gulden, die Walderträge 654 Gulden und das Fischereiregal 38 Gulden. Die behöbte Steuer machte jährlich 198 Gulden aus. Die gesam- ten herrschaftlichen Einkünfte betrugen im Jahr durchschnittlich 17 244 Gulden. Die herrschaft-lichen 
Verwaltungskosten betrugen 3073 Gulden, so dass ein jährlicher Reinertrag von 14 170 Gulden verblieb.37 Die Einnahmen der Herrschaft lagen da- mit deutlich über den gesamten Staatseinnahmen (Steuern, Taxen und Gebühren). Nach dem Rheineinbruch von 1846, der für das Land eine Katastrophe bedeutete, überliess Fürst Alois II. die Erträge aus dem Zoll- und Weggeld- gefälle dem Land. War diese Abtretung 1846 noch als eine vorübergehende Hilfsmassnahme gedacht, so erklärte der Fürst durch den Erlass vom 7. April 1848 alle Gefälle zu Staatseinkommen. Die Feudal- leistungen wurden für ablöslich erklärt und die obrigkeitlichen Gewerbemonopole (Mühlen, Ziegel- hütte usw.) aufgehoben.38 Für die Staatseinnahmen war dieser Erlass von erstrangiger Bedeutung: Seit 1850 bildeten die Zoll- und Weggeldeinnahmen die wichtigste Staatseinnahme überhaupt. Nach dem Abschluss des Zoll- und Steuervertrages mit Öster- reich im Jahre 1852, durch den die österreichi- schen Verzehrungssteuern auch in Liechtenstein eingeführt wurden, verdreifachten sich diese Ein- nahmen schlagartig und betrugen nun fast regel- mässig mehr als die Hälfte der gesamten Staatsein- nahmen. 30) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte. S. 259. 31) Diese verschiedenen Feudalleistungen waren das Vogelrecht, der Schäfhaber, die Fasnachtshenne, die Neugereutzinse und das Pleuelgeld. Vgl. dazu Geiger, Anhang, S. 404. 32) Alois Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 336 und S. 362. 33) Alois Ospelt, Anhang, S. 230. 34) Schuppler an HK am 12. März 1818. LLA RB Fasz. L 6. 35) Johann Rheinberger, «Politisches Tagebuch», JBL 1958. S. 235/36. 36) Peter Kaiser, «Exposee über die liechtensteinischen Staatsrega- lien». Chur am 30. 11. 1843. Das Schreiben war vermutlich an Dr. Schädler gerichtet. LLA Peter Kaiser-Akten. 37) «Ausweis dos 12jährigen Durchschnittsertrages der hochherr- schaftlichen Gefälle». Beilage 5 zum Bericht Menzingers an Fürst Alois II. vom 10. August 1840. LLA RC 69/16. 38) Bekanntmachung betr. neue Verfassung und weitere Reformzu- sicherungen vom 7. April 1848. Art. 12-14. Veröffentlicht bei Alois Ospelt, Anhangs. 122. 89
	        

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