Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

kenne. Zur Begründung seines Gesuches führte er an, dass er einerseits durch die Zahl seiner Dienst- jahre, durch seine Geschäftskenntnisse und seine Diensttreue sich eine Versetzung verdient zu haben glaube und dass er andererseits aus Familienrück- sichten um diese Versetzung bitten müsse. DIE FÜRSORGEPFLICHT DES FÜRSTEN FÜR SEINE BEAMTEN Der Treuepflicht der Beamten auf der einen Seite entsprach die Fürsorgepflicht des Fürsten auf der anderen Seite. Die Entschädigung des fürstlichen Personals beruhte im Vormärz noch weitgehend auf der traditionellen Vorstellung, dass der Dienst- herr für die Bedürfnisse seines Personals aufzu- kommen habe. Die Besoldungsansprüche aller fürstlichen Herr- schaftsbeamten waren «systematisiert». Das Besol- dungs-System von 1837 ging von folgenden Grund- sätzen aus: Die Bezüge der Beamten waren aufge- teilt in Natural- und in Geldbezüge. Durch die Na- turalbezüge sollten «die Haupt-Bedürfnisse eines ländlichen Haushaltes» gedeckt werden und die Beamten vor Teuerung und Preisschwankungen geschützt werden.35 Naturalien im eigentlichen Sinn umfassten Güter des täglichen Bedarfs wie verschiedene Getreidebeiträge, Wein, Schmalz oder Butter, Salz, Fleisch und Brennholz. Zu den Naturalbezügen im weiteren Sinne gehörten aber auch eine kostenlose Unterkunft, eine kostenlose medizinische Versorgung36 und die Nutzungsrechte an einigen Grundstücken. Für bestimmte Beamten- kategorien sah das Besoldungssystem auch Vergü- tungen für Pferde und Knechte vor, die für Dienst- zwecke verwendet wurden.37 Die Geldbeträge waren unterteilt in ein fixes Gehalt und in Akzidentien. Die Höhe der ausbezahlten Ak- zidentien richtete sich (mindestens zum Teil) nach dem Ertrag einer Herrschaft. Die Akzidentien stell- ten also ein Mittel dar, um die Herrschaftsbeamten zu einer grösseren Leistung anzuspornen. Die Herrschaftsbeamten waren in 11 Rangklassen ein- geteilt, wobei die Rangklasse für die Höhe der Be-soldung 
bestimmend war. Die Lohnunterschiede zwischen den niedrigsten und den höchsten Beam- ten waren beträchtlich, insbesondere was das fixe Gehalt betraf.38 Neben den «systematisierten» Bezügen konnten besondere Leistungen durch individuelle «Zula- gen» honoriert werden. Es gab sowohl «einmalige» Zulagen als auch «jährliche», die einer Gehaltser- höhung gleichkamen. Den Beamten wurden auch die Kosten ersetzt, die durch Dienstreisen oder durch die Versetzung auf eine andere Herrschaft entstanden.39 Ein geregelter Ferienanspruch bestand für die Be- amten nicht, doch konnten sie um einen Urlaub an- suchen, der in der Regel bis zu 6 Wochen dauerte. Die Bewilligung für die Herrschaftsvorsteher und für die leitenden Beamten in der fürstlichen Hof- kanzlei und in der Buchhaltung musste vom Für- sten erteilt werden, für die übrigen Beamten konn- te die Hofkanzlei einen Urlaub bewilligen.40 Die fürstlichen Beamten hatten, wenn sie in Folge hohen Alters arbeitsunfähig und gebrechlich wur- den, einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch auf eine Pension. Die Höhe der Pension betrug in der Regel die Höhe des zuletzt ausbezahlten fixen Ge- haltes. Nach dem Tod eines Beamten erhielt dessen Witwe weiterhin 50 % der Pension ihres Mannes.41 Waren beim Tod eines Beamten noch unversorgte Kinder vorhanden, so konnte der Vormund um ei- nen «Erziehungsbeitrag» für diese Kinder ansu- chen, der in der Regel gewährt wurde. Der ur- sprünglich freiwillige Charakter dieser fürstlichen Unterstützungsgelder geht noch daraus hervor, dass sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Rentbüchern unter der Rubrik «Gnaden- und Al- mosengelder» aufgeführt wurden. 1809 wurde eine Rubrik «Pensionen» geschaffen.42 Die Besoldung der Beamten stellte also nicht ein- fach eine Bezahlung für geleistete Dienste dar, son- dern baute auf einer weitgehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine treuen Diener auf. Die verschiedenen Leistungen des Dienstherrn stellten ein Netz dar, das den Beamten einerseits in eine hohe Abhängigkeit gegenüber seinem Dienstherrn 76
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.