Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

sionierung ausgesprochen wurde, mussten sehr schwerwiegende Dienstverfehlungen vorliegen. Gründe für eine fristlose Entlassung ohne Pen- sionsanspruch stellten wiederholte Trunkenheit oder eine schwere sittliche Verfehlung dar.20 Auch hier zeigt sich wieder, dass auf einen moralischen Lebenswandel der Beamten allergrösster Wert ge- legt wurde. Ein Fehlverhalten im Dienst war leich- ter zu entschuldigen als ein anstössiges Benehmen, durch das offenbar auch das Ansehen und die Au- torität des Amtes und des Dienstherrn in Frage ge- stellt wurde. Die bisherigen Ausführungen sollten deutlich ma- chen, dass die Beamten objektiv und nach ihrer Selbsteinschätzung im Dienst des Fürsten standen und nicht im Dienst eines abstrakt verstandenen Staates. Das Verhältnis zwischen den Untertanen und den Beamten war distanziert. Im besten Fall brachten die Untertanen eine gewisse Anerken- nung für die Leistungen der Beamten auf, häufiger zeigten die Untertanen aber Abneigung, unverhoh- lenen Hass oder gar offene Feindschaft gegenüber den Beamten. Bei den Unruhen von 1831 drohte man den Beamten «an einem Tag mit dem Galgen, am andern mit der Guillotine und am dritten mit Verbrennen».21 1848 drohten die Untertanen die «fremden Bettler»22 aus dem Lande zu jagen - was im Fall des Kanzlisten Langer auch gleich in die Tat umgesetzt wurde. Für die politische Situation in Liechtenstein war kennzeichnend, dass die Unter- tanen die verhassten Beamten als die eigentlichen Urheber der Beseitigung der Landammänner und Gerichte und damit des Absolutismus überhaupt ansahen. So rief etwa der Amtsbote Johann Rhein- berger den «Herren Staatsverderbern» Flofrat Hau- er und Landvogt Schuppler in seinem «politischen Tagebuch» zu: «Macht den edelsten und hochher- zigsten Fürsten, der seinen Stolz darin setzt, seine Unterthanen unter seinem Scepter überglücklich zu wissen, nicht zum unwissenden Heuchler. Denn er lebt und stirbt in dem edlen Wahn, stets das Wohl seiner Unterthanen in dem Herzen getragen zu haben, während dem ihn dieselben durch eure Veranlassung eines an ihnen verübten Unrechtes beschuldigen.»23 Aus dieser Äusserung spricht das 
ungebrochene Vertrauen der Untertanen in die edle Güte des Landesvaters, von der ja auch die Be- amten bei jeder Gelegenheit sprachen. Die Unterta- nen glaubten, dass die Beamten den Fürsten un- vollständig oder unzutreffend über die tatsächli- chen Verhältnisse im Lande informierten. Sie hiel- ten es deshalb wiederholt für nötig, eine Delegation nach Wien zu senden, die beim Fürsten persönlich vorsprechen sollte. So verhasst die Beamten, die Vertreter des Fürsten, auch waren, der regierende Fürst wurde nie angefeindet. Wie für andere deut- sche Staaten gilt auch für Liechtenstein die Fest- stellung, dass 1848 die Revolution vor dem Thron des Monarchen haltmachte. Die fürstlichen Beamten wurden nicht nur von den Untertanen als Fremde im Lande angesehen, sie waren es auch nach ihrer eigenen Selbsteinschät- zung. Eine nicht zu unterschätzende Barriere zwi- schen den Beamten und der einheimischen Bevöl- kerung stellte schon die Sprache dar. Die von einer böhmischen oder mährischen Herrschaft nach Liechtenstein versetzten Beamten dürften mitunter erhebliche Schwierigkeiten gehabt haben, die ein- heimischen Dialekte überhaupt zu verstehen. Seba- stian Dünser wurde vom Oberamt in Vaduz zur An- stellung als Kanzlist mit folgender Begründung empfohlen: Er «würde beim Grundbuchamte umso tauglicher seyn als er Liechtensteinisch lesen kann und versteht, denn dieses muss ein Fremder bey vorkommenden Urkunden, die von den Landleuten gewöhnlich selbst verfasst werden, in der That erst lernen.»24 Die Beamten stellten eine kleine Schicht mit einem ausgeprägten Standesbewusstsein dar. Den einhei- mischen Bauern gegenüber wussten sie sich - nicht nur wenn sie im Auftrag der fürstlichen Hofkanzlei handelten - im Besitz einer höheren, allzeit richti- gen Einsicht. Der Ausdruck «dummer Bauer» soll von den Beamten häufig verwendet worden sein.25 Zumindest in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahr- hunderts begegneten die Beamten aber auch dem Klerus mit Herablassung. Schuppler bezeichnete beispielsweise die Geistlichen als «heuchelnde Idioten», die «durchaus vernünftige Aufklärung hassen».215 74
	        

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