Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

tum hingegen erschien der Hofkanzlei als zu unbe- deutend, um regelmässig solche Kontrollen durch- führen zu lassen. Das Fürstentum war weit ent- fernt und die Entsendung einer Untersuchungs- kommission teuer. Die wichtigste Kontrolle der Tätigkeit des Oberam- tes in Vaduz ergab sich aus der jährlichen Überprü- fung der rentamtlichen Rechnungsbücher durch die Buchhaltung in Butschowitz. Der Rentmeister hatte sich bei der Rechnungsführung an die auf den fürstlichen Herrschaften gültigen Rechnungsin- struktionen zu halten und jede Ausgabe zu begrün- den. Die Kontrolle der Rentrechnungen (und der seit 1844 separat geführten Staatsrechnungen) gab kei- nerlei Aufschluss über die Genauigkeit und Regel- mässigkeit der oberamtlichen Amtshandlungen. Da die Herrschaftsbeamten in Österreich, Böhmen und Mähren in ihren öffentlichen Funktionen von staatlichen Behörden überprüft wurden, stellte die- se Art von Kontrolle im Fürstentum aus der Sicht der fürstlichen Hofkanzlei ein völlig neues Problem dar. Dass eine solche Kontrolle überhaupt erforder- lich war, wurde der Hofkanzlei offenbar erst durch das Untersuchungsergebnis der 1831 nach Vaduz gesandten Kommission bewusst. Die Hofkanzlei zog aus den festgestellten Mängeln beim Oberamt den Schluss, dass dieses schärfer zu kontrollieren sei. Sie ordnete an, dass der Landvogt jährlich Tabellen über alle vorkommenden Verlassen- schaftsabhandlungen, Justiz- und Kriminalfälle sowie über alle politischen Gegenstände zusam- menstellen und an die Hofkanzlei einsenden sollte. In diesen Tabellen musste auch festgehalten wer- den, welche Fälle bereits erledigt und welche noch hängig waren.28 Diese Tabellen sollten verhindern, dass erneut grosse Geschäftsrückstände auftra- ten.29 Inspektionen durch Untersuchungskommissionen, sogenannte «Lokalisierungen», wurden im Für- stentum selten vorgenommen, Insgesamt weilten zwischen 1808 und 1860 lediglich fünfmal Vertre- ter der Hofkanzlei im Fürstentum - zweimal davon anlässlich der ersten beiden Besuche des regieren- den Fürsten in ihrem Fürstentum. 
Gesamthaft gesehen lässt sich feststellen, dass das Oberamt - abgesehen von der Rechnungskontrolle - kaum kontrolliert wurde. Wichtiger als die Kon- trolle über die Beamten war das Vertrauen in die Beamten. DER AUSHAU DES ORERAMTES Von seiner Organisationsform her gesehen erfuhr das Oberamt zwischen 1808 und 1862 keinen we- sentlichen Ausbau. Abgesehen davon, dass, wie be- reits erwähnt, 1836 ein Waisenamt und 1838 ein Waldamt eingerichtet wurden, wurden in diesem Zeitraum keine neuen Ämter geschaffen. Der zu- nehmend bürokratische Verwaltungsstil erforderte jedoch zumindest einen personellen Ausbau. 1808 beschäftigte das Oberamt drei Beamte, 1860 waren es neun. Dieser Ausbau, der im folgenden Kapitel dargestellt werden soll, verlief keineswegs gerad- linig. Ein wesentlicher Bestandteil der Verwaltungsre- form von 1808 bildete die Ersetzung der bis dahin in Vaduz tätigen Beamten. Hofrat Hauer beschrieb den alten Menzinger als einen «ehrlichen, aber äusserst unwissenden, schläfrigen und decrepiten Landvogt, der hinter dem Ofen brütet, und lange Weile braucht, bis seine zitternde Hand einen Buchstaben darnieder schreibt, er gar nicht verste- het, was der Geschäftszug und (die) Ordnung erhei- schet.»30 In ähnlicher Weise zog er über den Amts- schreiber Kirchthaler her: Er gehe bloss irgendwel- chen Träumereien nach und wolle sich an den Kriegsschulden auf Kosten des Landesfürsten be- reichern. Für Rentmeister Schmieth hingegen, der erst seit zwei Jahren in Vaduz weilte, fand er aner- kennende Worte: Er habe in dieser kurzen Zeit einen grossen Teil der ausstehenden Renten einge- trieben, zeige Initiative und bemühe sich «durch seinen Einfluss die bisher an der Tagesordnung ge- standenen Willkürlichkeiten zu hemmen».31 Nach Ansicht Hauers mussten «Beamte voll Kennt- niss der österreichischen Manipulation und mit dem besten Willen» nach Vaduz versetzt werden, wenn die Reorganisation des Landes Erfolg haben 62
	        

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