Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

bestehende Ordnung zum grössten Teil lediglich bestätigte: Der Herrschaftsvorsteher öffnete alle eintreffenden Schreiben und nahm sie zur Kennt- nis. Der Eingang dieser Schreiben wurde regi- striert, dann wurde das Schreiben dem Beamten übergeben, in dessen Zuständigkeit die Angelegen- heit fiel. Nach erfolgter Bearbeitung musste die Er- ledigung der Schreiben im Protokoll sichtbar ge- macht werden. Die Reinschrift des Erledigungsent- wurfs wurde mit den erforderlichen Unterschriften versehen und expediert.13 Für die Abfassung der Berichte an den Fürsten und die Hofkanzlei bestanden genaue Richtlinien: Die Berichte sollten: «kurz, bündig, und doch erschöp- fend, dann anständig abgefasst, halbbrüchig auf der rechten Spalte, rein und leserlich geschrieben, und mit allen erforderlichen Beilagen . . . und Vor- akten belegt»14 sein. Die Berichte hatten bis 1815 mit der Anrede «Wohllöbliche Hofkanzley», nach 1815 mit «Euer Durchlaucht» zu beginnen11"' und mit «treu gehorsamst» und den Unterschriften der Beamten zu schliessen. Auf den Schreiben musste auch ein Rubrum angebracht werden, das aus ei- ner kurzen Inhaltsangabe und den Aktennummern bestand.16 Diese Vorschriften betonten nicht nur den Formalismus, sondern zielten - mindestens teilweise - auch auf Zweckmässigkeit ab. Das Ru- brum erlaubte eine rasche Orientierung über den Inhalt des Schreibens. Dass nur die rechte Blatt- hälfte beschrieben werden durfte, ermöglichte dem Bearbeiter bei der Hofkanzlei, seine Bemerkungen auf der linken Blatthälfte anzubringen. Neben den formalen Vorschriften zur Abfassung der Berichte bestanden auch inhaltliche. Den Be- amten wurde befohlen, «in allen ihren Berichten ihre eigene Meinung und Anträge auf das bestimm- teste, und wohl motivirt aus(zu)sprechen.»17 Dieser Aufforderung kamen die Landvögte meistens nach und legten dar, welcher Entscheid ihnen am zweck- mässigsten und angemessensten erschien. Die Mei- nung des Landvogts hatte meist massgeblichen Einfluss auf den Entscheid der Hofkanzlei. Der Landvogt war der Hofkanzlei insofern überlegen, als er über bedeutend mehr Informationen ver-fügte, 
da diese kaum mit den örtlichen Verhältnis- sen vertraut war. Die Hofkanzleibeamten kannten die Verhältnisse im Fürstentum fast ausschliesslich aus den Schilderungen der Landvögte. Nachdem Hofrat Hauer 1815 pensioniert worden war, be- schäftigte die Hofkanzlei bis 1842 keinen Beamten, der das Fürstentum aus eigener Anschauung ge- kannt hätte.18 Die Hofkanzlei betonte immer wieder, dass die Ak- tenmässigkeit und die Schriftlichkeit zwei wichtige Prinzipien für eine geordnete Verwaltung darstell- ten. So enthielt bereits die Dienstinstruktion von 1719 detaillierte Vorschriften über das Anlegen ei- ner Registratur und eines Archivs. Über die Bedeu- tung eines Archivs hiess es beispielsweise: «. . . da- rinn die Seele einer wohl geordneten Regierung be- stehen thut.»19 Seit 1808 waren das Archiv und die Registratur nach den Prinzipien aufgebaut, die unter Joseph II. für die österreichische Staatsverwaltung entwickelt worden waren und von da auch Eingang in die fürstliche Verwaltung gefunden hatten.20 Im Archiv aufbewahrt wurden einerseits die Akten, die von einer auswärtigen Stelle eingingen, und anderer- seits die Entwürfe (oder Konzepte) zu den expe- dierten Schriftstücken. Der Eingang eines Schrift- stückes sollte sogleich im sogenannten Exhibiten- protokoll registriert werden, wo auch die Erledi- gung der Angelegenheit sichtbar gemacht werden musste. Dabei wurden die Aktenstücke mit fortlau- fenden Nummern versehen. Überdies sollten die Akten auch in einem Repertorium, einem alphabe- tischen Index, eingetragen werden. Unter Landvogt Schuppler war das Archiv - wiederum nach jose- phinischem Vorbild - nach Sachgruppen geordnet. Unter Landvogt Pokorny wurde das System «ver- einfacht»: Wie aus der Hauptinstruktion von 1838 hervorgeht, hatte sich inzwischen bei der fürst- lichen Hofkanzlei die Ansicht durchgesetzt, dass die Akten sich gewissermassen «von selbst» nach den Materien ordnen würden, wenn man immer alle Vorakten den neuen Akten beilegte.21 Haupt- ordnungsprinzip war daher nicht mehr die Eintei- lung der Akten nach Sachgruppen, sondern der chronologische Einlauf der Akten. In der Verwal- 60
	        

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