Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Reaktionserlass vom 20. Juli 1852 wurden alle Ver- fassungsversprechen rückgängig gemacht und die Verfassung von 1818 wieder in Kraft gesetzt.27 Auch hier zeigte sich die Abhängigkeit von der Ent- wicklung in Österreich: Dort war am 4. März 1849 eine Reichsverfassung erlassen worden, bevor durch das Silvesterpatent vom 31. Dezember 1851 das absolutistische Herrschaftssystem des Vormärz wiederhergestellt wurde. Wie die nun folgende Entwicklung bis zur konstitu- tionellen Verfassung von 1862 zeigte, hatte die 1848er Bewegung das politische Bewusstsein der Untertanen grundlegend verändert. Durch den 1852 mit Österreich abgeschlossenen Zollvertrag war dem Land eine neue Finanzquelle entstanden, die den vorübergehenden Verzicht auf die direkte Steuer zur Deckung der Landesausgaben ermög- lichte. Aus diesem Grunde sah sich der Fürst vor- erst auch nicht veranlasst, den Landtag einzuberu- fen. 1857 - der letzte landständische Landtag lag nun 10 Jahre zurück - wurde wieder eine Steuer postuliert und der Landtag einberufen, um dem Po- stulat zuzustimmen. Nun zeigte es sich, dass sich die Abgeordneten mit dem blossen Zeremoniell des Zustimmens nicht mehr zufrieden gaben. Sie for- derten eine neue Landesverfassung, die Wahl einer Volksvertretung, die in allen inneren Landesange- legenheiten ein Mitbestimmungsrecht haben sollte, ein neues Gemeindegesetz, Reformen im Schulwe- sen, die Zehentablösung usw.28 Die gleichen Forde- rungen - schon das Vortragen von solchen «Vor- schlägen» war nach der Verfassung von 1818 ver- boten - wurden in den folgenden Jahren immer wieder und mit allem Nachdruck an den Landtags- sitzungen vorgebracht. Der Landtag war damit zu einem Forum für politische Auseinandersetzungen geworden. Der massgebende Berater des Fürsten, Dr. Justin von Linde, suchte jedoch jede Art von Zu- geständnissen hinauszuzögern, um die Entwick- lung in Österreich abwarten zu können.29 Dem Drängen der Untertanen nach politischen Rechten wurde erst nachgegeben, als sich die künftige Ent- wicklung in Österreich durch das Oktoberdiplom von 1860 und durch das Feberpatent von 1861 ab- zeichnete. Am 26. September 1862 erhielt dann 
das Fürstentum Liechtenstein eine neue Verfas- sung, die zwar keineswegs alle Wünsche der «Lan- desangehörigen», wie die Untertanen nun genannt wurden, erfüllte, die aber doch in entscheidenden Fragen das absolutistische Regierungssystem be- seitigte. 27) Dazu ausführlich Geiger, S. 52-185. 28) Landtagssitzung vom 14. Oktober 1857. LLA RC 72/19. 29) Geiger, S. 244. Briefpapier mit dem Staatswappen und dem offiziellen Titel des Ober- amtes Vaduz auf einem Circulare (Umlaufschrei- ben) an die Gemeinden der unteren Landschaft 
«Das Oberamt des Souve- rainen Fürstenthumes Liechtenstein an die Orts- gerichten der unteren Landschaft. Mit herabgelangten höch- sten Reskripte vom 16. Dezember 1845 Z. 11.303 wurde die Ab- haltung des diesjährigen Landtages auf Mittwoch den 31.ten dieses Monates angeordnet und das Ober- amt mit der Einladung der Landstände beauftragt. Als Repräsentanten der Gemeinden werden daher die Richter und Säckelmei- ster sämmtlicher Ortschaf- ten zur Erscheinung am besagten Tage vormittags 10. Uhr in der Oberamts- kanzlei vorgeladen. Dieses Circulare ist zu vidiren, schleunigst weiter zu befördern und nach geschehenem Umlaufe hier einzubringen. Vaduz, am 22. Dezember 1845 Menzinger, Landvogt» 56
	        

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