Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

VERWALTUNGSSTRUKTUR UND VERWALTUNGSREFORMEN VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN / PAUL VOGT werden konnte. Die Höhe der Steuer richtete sich nach einem Voranschlag des Oberamtes für das laufende Jahr, über die Höhe der Steuer oder über die Notwendigkeit einzelner Ausgaben durfte nicht diskutiert werden. Ein Recht der Landstände be- stand darin, «Vorschläge zu machen, die auf das allgemeine Wohl abzielen».20 Welche Vorschläge auf das allgemeine Wohl abzielten, stand im Er- messen des Landvogts; ausdrücklich verboten wa- ren Vorschläge, die Einnahmen betrafen, die vom Fürsten als Privateinkünfte (so die Regalien) ange- sehen wurden, sowie Vorschläge, die das «bürger- liche, politische und peinliche Fach» berührten.21 Das Versprechen, dass der Fürst vor der Einfüh- rung neuer allgemeiner Staatsabgaben eine «stän- dische Berathung vorausgehen lassen»22 wolle, stellte keinerlei Einschränkung der landesfürst- lichen Macht dar, da neue Abgaben auch eingeführt werden konnten, wenn sie vom Landtag abgelehnt wurden. Die Bestimmungen der Verfassung von 1818 ma- chen deutlich, dass dem Landtag weder eine Mit- wirkung an der Gesetzgebung noch eine Kontrolle über die Verwaltung zugestanden wurde. Der Landtag unterstand vielmehr der Kontrolle des Oberamtes. Nach österreichischen Gepflogenheiten hatten die Untertanen nicht das Recht, Gesetzes- vorschläge zu unterbreiten, sondern lediglich das Recht, Petitionen einzureichen. Die Untertanen verlangten zwar wiederholt, dass ihnen die Staats- rechnung zur Einsichtnahme vorgelegt werde, wurden damit aber stets abgewiesen.23 Die Landtagssitzungen waren nicht öffentlich. Das Steuerpostulat wurde den Landständen vorgelesen, Abschriften durften keine erstellt werden. In der Einleitung zu jedem Steuerpostulat machte die Hof- kanzlei dem Oberamt folgende, immer gleich lau- tende Mitteilung: «Es ist strenge darauf zu sehen, dass bei dem Landtage niemand erscheine, der nicht nach Vorschrift der ständischen Verfassungs- urkunde dazu berechtigt ist.» Zur Art der Kundma- chung der Steuerpostulate heisst es: «Zur Beleuch- tung der landesfürstlichen Postulate soll der fürst- liche Landvogt die vorstehende Berechnung deut- lich und langsam den am Landtage versammelten 
Ständen vorlesen und ihnen auf einzelne Anfragen die geeignete Auskunft mündlich ertheilen, Ab- schriften aber nicht gestatten.»24 Die Postulatenlandtage, wie sie in Österreich ge- nannt wurden, bildeten ein blosses Zeremoniell, das von den österreichischen Historikern häufig verspottet wurde. Otto Brunner bezeichnete sie als eine «unzulängliche, überholte Vorform parlamen- tarischer Einrichtungen».25 Offenbar massen ihnen aber auch die liechtensteinischen Untertanen keine grosse Bedeutung zu, nannten sie doch ihre Vertre- ter im Landtag «Glasbläser».26 Die 1848er Revolution löste auch in Liechtenstein eine politische Bewegung aus. Der Fürst sah sich gezwungen, die Erfüllung der Hauptforderungen - eine konstitutionellen Verfassung, die freie Wahl von Volksvertretern, ein neues Gemeindegesetz usw. - für die nahe Zukunft zu versprechen. Am 7. März 1849 wurde eine provisorische Verfassung gewährt, die einem vom Volk zu wählenden Land- rat wesentliche Rechte einräumte. Die Wahlen zu dieser Volksvertretung wurden sogleich vorge- nommen, doch blieb der Landrat nur eine Episode in der liechtensteinischen Geschichte. Durch den 13) Vgl. dazu das «Politische Tagebuch» des Amtsboten Johann Rheinberger. 14) Dienstinstruktion von 1748, Teil I, Art. 17. RA 2/1/15. 15) Dienstinstruktion von 1808, Art. 1. LLA RB Fasz. G 1. 16) Helbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsge- schichte, S. 303. 17) Steuerverordnung vom 22. 4. 1807, § 10. 18) Steuerprotokolle aus den Jahren 1811 bis 1817, LLA RB Fasz. S 5. 19) Quaderer, S. 78. 20) Verfassung von 1818, Art. 13. 21) ebda. Art. 16. 22) ebda. Art. 15. 23) Quaderer, S. 25 ff. 24) Landtagsprotokolle von 1818 bis 1847. LLA div. Fasz. 25) Brunner, Staat und Gesellschaft im vormärzlichen Österreich, S. 62. 26) Feger, Johann II, S. 73. 55
	        

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