Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

MÜNZFUNDE UND GELDUMLAUF IM MITTEL- ALTERLICHEN ALPENRHEINTAL / BENEDIKT ZÄCH MÜNZFUNDE ALS QUELLEN Geprägtes Geld diente im Mittelalter nicht allein als Zahlungsmittel, sondern ebensosehr als Wertreser- ve. Es wurde gehortet und als Rücklage häufig in allerlei Behältnissen (Beuteln, Töpfen, Ofenkacheln usw.) versteckt oder vergraben. Der Erdboden galt dabei - keineswegs nur in unruhigen Zeiten7 - als natürlicher Tresor. Wurde nun ein solches Depot aus irgendwelchen Gründen (meist dem vorzeiti- gen Tod des Besitzers) nicht mehr gehoben, blieb es in seinem Versteck - bis in unsere Zeit. Häufig sind es Bauarbeiten - beispielsweise beim Fund von 
Vaduz 7 - oder Feld- und Waldarbeiten - wie beim Fund von 
Schellenberg 6 -, welche zur Ent- deckung eines Münzschatzes führen. Eigentliche Depots grösseren oder geringeren Aus- masses machen jedoch nur den kleineren Teil der Münzfunde aus (hier 7 von 53 Funden), wenngleich ihnen besondere Aussagekraft zukommt. Die Nu- mismatik unterscheidet mindestens zwei weitere Fundarten: Münzfunde aus Grabungen (Siedlungs- funde) und Einzelfunde (auch als Streufunde be- zeichnet).8 Münzfunde aus Grabungen (24 von 53 Funden) - vor allem in Kirchen (12 Funde) - sind in den letz- ten Jahren immer bedeutsamer geworden.9 Es sind über längere Zeit angefallene, zufällige Einzelverlu- ste, deren Zusammenhang nur im gemeinsamen Verlust- bzw. Fundort liegt; sie werden deshalb auch als Ansammlungsfunde (oder Kumulativfunde von engl, cumulative finds) bezeichnet. Ansammlungsfunde enthalten in aller Regel Mün- zen, deren Wert so gering war, dass man bei einem Verlust nicht lange nach ihnen suchte. Die Häufung in Kirchen (in 
Bendern 9 82 Ex. inkl. Umgebung, v. a. Friedhof, in 
Mauren 17 155 Ex.) erklärt sich daher weniger durch Grabbeigaben oder Bauopfer als vielmehr durch die Sitte des Mess- bzw. Altar- opfers: Beim Spenden fiel Kleingeld durch die Rit- zen und Spalten des Bretterbodens oder der Holz- bänke und blieb im Erdreich darunter liegen.10 Einzelfunde (22 von 53 Funden) bestehen aus ein- zelnen Münzen oder kleinen Ansammlungen. Es 
sind Münzen, die irgendwann im Laufe ihres Ge- brauchs verloren wurden. Recht häufig werden sie bei Erdarbeiten, z. B. im Garten, entdeckt. Jede Fundart bietet besondere Auswertungsmög- lichkeiten. Grössere Schatzfunde 
(Schellenberg 6, Vaduz 7) bieten oft einen guten Querschnitt durch einen bestimmten Teil des Geldumlaufs zur Zeit der Vergrabung;11 allerdings enthalten sie in der Regel höherwertige Münzsorten und gute, vollgewichtige oder sehr gängige Münzen.12 Schatzfunde reprä- sentieren daher die mittlere und oberste Stufe des Geldumlaufs. Im Gegensatz dazu sind Ansamm- lungsfunde, vor allem diejenigen in Kirchen, recht getreue Ausschnitte der untersten Stufe des Geld- umlaufs. In ihnen finden sich die kleinsten Münz- sorten, die in Schatzfunden fast vollständig fehlen; sie bilden gewissermassen den monetären Alltag ab.13 Einzelfunde wiederum umfassen das ganze 7) Die von der älteren Forschung oft vertretene Auffassung, dass Geld nur im Zusammenhang mit kriegerischen Ereignissen verbor- gen worden sei, hat heute einer differenzierten Sichtweise Platz ge- macht. Gespartes Geld kann - zumal in ländlichen Gebieten - eben- sogut Ausdruck dos wirtschaftlichen Wohlergehens sein, das die Thesaurierung nicht benötigten Geldes ermöglichte; vgl. etwa Nau, Elisabeth: Münzumlauf im ländlichen Bereich mit besonderer Be- rücksichtigung Südwest-Deutschlands. In: Die Grundherrschaft im Mittelalter. Hrsg. Hans Patze. Bd. 1. Sigmaringen, 1983. (Vorträge und Forschungen, 27), S. 97-156, hier S. 106 f. und 124. 8) Die Systematisierung der Funde hängt jeweils von der Art und vom Ziel der Auswertung ab; manche Bezeichnungen werden des- halb auf verschiedene Weise verwendet, vgl. dazu Grierson, Philip: The Interpretation of Coin Finds. In: Numismatic Chronicle. 7th ser. 5, 1965, S. i-xiii (I); ebd., 7th ser. 6, 1966, S. i-xv (II). 9) Zum Stellenwert der Kirchenfunde für die Münz- und Geldge- schichte zuletzt Zäch (1992 b), bes. S. 144 f. 10) Zäch (1992 b), S. 144 m. Anm. 2 (Beispiele). 11) Für die beiden genannten Funde gilt das in ausgesprochenem Masse, vgl. dazu unten S. 220-222 und 226-229. 12) Im Fund von Vaduz etwa wird dies durch die Kombination von Goldmünzen mit hohen Anteilen an sog. «Ewigen Pfennigen» unterstrichen; vgl. dazu Zäch (1992 a), S. 118-122. 13) Nau, Elisabeth: Neue Ausgrabungsfunde in Württemberg. In: Dona Numismatica, Festschrift Walter Hävernick. Hrsg. Peter Berg- haus und Gert Hätz. Hamburg, 1965, S. 261-279, bes. S. 261 f., wo erstmals im deutschen Sprachraum auf die besondere Bedeutung der Kirchenfunde hingewiesen wird. 205
	        

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