Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1994) (92)

Der Aufbau einer Landespolizei Der Polizeibegriff hat sich im Lauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie im übrigen Europa grundlegend verändert. Im 18. Jahrhundert be- zeichnete «Polizey» mit Ausnahme der Rechtspre- chung die gesamte innere Verwaltung eines Staa- tes. In diesem Sinne enthielt die «Policey- und Landts-Ordnung» vom 2. September 1732 Bestim- mungen über die Einhaltung der Gottesdienste, über verschiedene Gewerbe, über die Güterzer- stückelung usw. Etwas von diesem alten Polizeibe- griff hat sich noch in der Polizeiordnung vom 14. September 1843 erhalten, die in insgesamt 100 Paragraphen umfassende Vorschriften über die Sicherheits-, Sitten-, Seuchen-, Gesundheits-, Gewerbe- und Baupolizei enthielt. Im 18. Jahrhundert verfügte das Oberamt über kein eigentliches Polizeiorgan. Neben den beiden Landweibeln, die Pfändungen vorzunehmen, Schuldforderungen einzutreiben und den Gemein- den oberamtliche Verordnungen zuzustellen hat- ten, standen dem Oberamt einige Kontingentssol- daten zur Verfügung.1 Diese Soldaten reichten nicht aus, um die öffentliche Sicherheit zu gewähr- leisten. Das Oberamt sprach von ihnen mit Verach- tung: Sie seien «um kein Haar besser als andere Bauern, und ist schon alles gesagt, was man sagen kann, wenn es heisst, er ist ein Reichs-Contingents- Soldat.»2 Die Grenzen waren unbewacht, der Grenzübertritt wurde niemandem verwehrt. Kla- gen über umherziehendes «Gesindel» waren daher häufig. «Zum grössten Hohn und Spott» des Lan- des soll es sogar ein Sprichwort gegeben haben: «Wer will stehlen und nicht hangen, lass sich in der Herrschaft Vadutz fangen.»3 Die Verwaltungsreorganisation von 1808 beinhal- tete auch eine Reform des Polizeiwesens. Die Insti- tution der Landweibel wurde im Zusammenhang mit der Beseitigung der Gerichte aufgehoben. Die Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit wurde den Gemeinden übertragen - nicht zuletzt aus finanziellen Grün- den. Jede Gemeinde wurde verpflichtet, einen Poli- zeisoldaten aufzustellen und mit 36 fl zu besolden.4 Eine Anstellung als Polizeisoldat stellte nur eine Nebenbeschäftigung für einen Bauern dar. Den Po-lizeisoldaten 
wurde die «polizeiliche Nachsicht über das im Lande herumziehende Gesindel»5 übertragen. Aus den wiederholten Klagen des Oberamtes geht hervor, dass diese Soldaten ihren Pflichten nur mangelhaft nachkamen. Es soll sogar vorgekommen sein, dass die Polizeisoldaten «die fremden Vagabunden und Gauner» im voraus warnten, wenn das Oberamt eine Landstreife an- ordnete.6 Die Polizeisoldaten stellten auch das Organ für die Gemeindevorsteher dar. Die Vorsteher hatten in ge- ringem Umfange gerichtliche Kompetenzen; sie konnten Pfändungen vornehmen und öffentliche Versteigerungen durchführen. Bei diesen Amts- handlungen mussten ihnen die Polizeisoldaten bei- stehen.7 Um die Macht des Oberamtes zu stärken, hatte Ge- org Hauer in seinem Bericht von 1808 vorgeschla- gen, vier fürstliche Grenadiere von Feldsberg nach Vaduz zu schicken, doch wurde dieser Vorschlag nicht verwirklicht. Dem Oberamt standen zur Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben lediglich ein Kanzleidiener und fünf Invalidensoldaten zur Verfügung. Der Kanzleidiener erfüllte neben seinen allgemeinen Hilfsdiensten in der Kanzlei die Auf- gabe eines Gefangenenwärters.8 Er hatte auch Schüblinge, die von einem benachbarten Land übernommen werden mussten, in das nächste wei- terzubefördern.9 Die Invalidensoldaten waren aus- gediente Soldaten, die einerseits in ihren Gemein- den den Polizeidienst besorgten und andererseits dem Oberamt zur Erledigung von Aufträgen zur Verfügung standen. Sie hatten insbesondere wö- chentlich beim Oberamt die neuen Verordnungen abzuholen und diese den Gemeindevorstehungen mitzuteilen.10 Die Invalidensoldaten erhielten zu- sätzlich zur Entschädigung von den Gemeinden ein Gehalt aus der Landeskasse, dazu alle drei Jahre eine «Montur».11 Nachdem 1827 Landvogt Schuppler durch Land- vogt Pokorny abgelöst worden war, erschien die- sem eine Reorganisation des Polizeiwesens als eine der dringendsten Aufgaben. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt schrieb er, «dass die hierorts bestehenden Polizei-Anstalten in Hinsicht der inne- 100
	        

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